Deep Space @ Staats- und Universitäts-Bibliothek Hamburg

Statt eine Lücke an diesem hochsymbolischen Ort entstehen zu lassen, vertritt der internationale Thinktank den Impetus, alternative Erinnerungsnarrative zur bisher totalitären Erzählung auszuloten.

„Re-significando el Valle de los Caídos“ – dieses Ziel verfolgt das Projekt  Espacio Profundo / Deep Space.  Wie geht das bei einem wuchtigen und erdrückenden 152 hohen Steinkreuz, das bereits aus einer Entfernung von 30 km über der Berglandschaft thront? Einem riesigen Aufmarschplatz an erhabenem Ort? Einer 42 Meter hohen Basilika, die sich 262 Meter tief in den Granitberg bohrt? In die man nur gelangt, indem man einem höhlenartigen Weg unter überlebensgroßen Engelsfiguren mit Schwertern in der Hand folgt, der einen direkt auf das  Grab von José Antonio Primo de Rivera und dem von Francisco Franco zuführt? Das bis vor kurzem täglich mit einem frischen Blumenstrauß dekoriert wurde? Und beim Gedanken an  die 20.000 Kriegsgefangenen, die bei der Entstehung dieses Monuments, das sich Franco zu Lebzeiten selbst schuf, 19 Jahre lang unter härtesten Bedingungen schufteten?

Die Grundkoordinaten des Projekts werden auf seiner Website so skizziert:

Deep Space ist ein langfristiges Forschungsprogramm, das sich mit Erinnerungspolitik, Digitalisierung, umstrittenen Denkmälern und Kulturerbe befasst.

Es deutet sich hier an, dass es um Kristallisationspunkte des Verhältnisses zur Vergangenheit geht. Erinnerungspolitik kann stets mit verschiedenen Narrativen arbeiten, ebenso die Gestaltung digitaler Räume und der gesamte Umgang mit dem kulturellen Erbe. An der Deutbarkeit von Orten setzt das Projekt weiter an.

Das Projekt wurde im Sommer 2018 gegründet, nachdem per königlichem Dekret die Exhumierung Francos beschlossen wurde. Statt eine Lücke an diesem hochsymbolischen Ort entstehen zu lassen, vertritt der internationale Thinktank den Impetus, alternative Erinnerungsnarrative zur bisher totalitären Erzählung auszuloten. So zielt das Projekt auf die Integration marginalisierter Stimmen in den Diskurs und rückt unter anderem die Entstehungsgeschichte des Ortes in den Vordergrund. Die Kriegsgefangenen und deren in Baracken am Rande des Geländes eingepferchten Familien gewinnen dadurch eine Präsenz, die ihnen in der aktuellen Erinnerungskultur oftmals nicht zuteil wird. Die Gründer*innen des hinter dem Projekt stehenden Hybrid Space Lab betonen weiter einen besonders frappierenden Aspekt:

Außerdem wird nicht erwähnt, dass die sterblichen Überreste der Gefallenen von der republikanischen Seite des Konflikts ohne die Zustimmung ihrer Familien aus den im ganzen Land verstreuten Massengräbern in das Tal der Gefallenen überführt wurden“, so die Professoren Elizabeth Sikiaridi und Frans Vogelaar (El País).

Zur Pluralisierung des Diskurses werden unter anderem digitale Methoden eingesetzt. So entsteht nicht nur ein digitales Archiv, um vielfältige Bestände zum Valle de los Caídos zu versammeln. Nach dem Prinzip der realidad aumentada sollen etwa die umliegenden Baracken der Familien der Gefangenen einen sichtbaren Ort in einem digitalen Modell des Ortes erhalten.

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