Elfenbeinturm

Die Kunsthochschule für Medien befindet sich dort, wo ich sie auch am liebsten sehen würde, nämlich dazwischen. Und das meine ich im sten Sinne des Wortes, weil ich glaube, daß die Zwischenräume die spannendsten Räume auch in der Zukunft sein werden. Also, nicht diese festgelegten gravitätischen Orte, sondern das, was sich zwischen den festgelegten Orten bewegt.

Interview Elfenbeinturm mit vielen Öffnungen, Amine Haase & Siegfried Zielinsky Kunstforum, Deutschland, Januar 1999

Elfenbeinturm
mit vielen
Öffnungen

Amine Haase: Herr Professor Zielinski: Welchen Platz geben Sie der Kunsthochschule für Medien in einer Stadt, die gleichzeitig Kunststadt und Medienstadt sein möchte?

Prof. Zielinski:
Die Kunsthochschule für Medien befindet sich dort, wo ich sie auch am liebsten sehen würde, nämlich dazwischen. Und das meine ich im sten Sinne des Wortes, weil ich glaube, daß die Zwischenräume die spannendsten Räume auch in der Zukunft sein werden. Also, nicht diese festgelegten gravitätischen Orte, sondern das, was sich zwischen den festgelegten Orten bewegt. Die große Chance, die die Kunsthochschule für Medien und auch die Stadt Köln mit dieser Hochschule hat, ist: Es gibt damit eine Einrichtung, die versucht, das Unmögliche zusammenzubringen, also den Teufel in das Weihwasser zu tauchen – oder welche Metaphern da immer zu finden sind. Wir versuchen nämlich auf zwei extrem unterschiedlichen Hochzeiten zu tanzen: Auf der einen Seite versuchen wir, die Ansprüche, die das Land – ich denke, auch zu Recht – an uns stellt, zu erfüllen, das heißt: für die ökonomische Weiterentwicklung des Landes etwas zu tun im Sinne der Ausbildung von talentierten jungen Leuten für die Medien. Und auf der anderen Seite versuchen wir, uns mit aller Energie an der Schaffung eines Ortes für Kunst zu beteiligen, und zwar unter den neuen veränderten Bedingungen von Kunstproduktion, Kunstverteilung und Kunstnehmung. Deshalb denke ich, es ist schon sehr präzise bezeichnet, wenn die Kunsthochschule für Medien ihren Ort dazwischen sieht: zwischen der Kunststadt und der Medienstadt. Und ich denke, daß – welche architektonische Metapher man auch immer finden mag – die Kunsthochschule so etwas wie eine Brücke sein könnte. Oder vielleicht eine Wendeltreppe, die dynamisch ist und eine etwas komplexere Struktur hat. Das wäre mir eigentlich das angenehmste.

Amine Haase: Wie stellen Sie derzeit die Verbindung zu der „Kunststadt“ her? Im Zusammenhang mit der Kunstszene tritt Ihr Institut nicht so häufig auf. Wie machen Sie die „Brücke“ oder „Wendeltreppe“ begehbar?

Prof. Zielinski:
Das ist noch nicht so häufig passiert, was ich sehr bedaure. Ich glaube, wenn ich das so direkt sagen darf, das liegt eigentlich mehr an denjenigen, die hier in der Stadt die Kunst – vielleicht auch geschäftsmäßig – betreiben, als an uns. Es gibt eine ganze Reihe von ständigen Kooperationen, die man in der Stadt in der Regel gar nicht sieht. Das ist mir auch ganz recht so. Ich halte sehr viel von der Idee des Nicht-nehmbar-Werdens von Deleuze und Guattari. Deshalb hänge ich mich auch nicht ständig in der Stadt aus, wenn es irgendwas über die Kunsthochschule zu berichten gibt. Es gibt ja eine ganze Reihe von stillen und sehr, sehr guten Formen der Zusammenarbeit, von denen die Stadt kaum etwas weiß. Zum Beispiel verbindet uns ein enges Verhältnis mit dem Kölnischen Kunstverein, insbesondere auch über die Personen, also den Leiter Udo Kittelmann und mich. Wir kennen uns seit Jahren, und wenn er irgend etwas benötigt für irgendeine Ausstellung, für eine Veranstaltung, dann kann er sicher sein, daß er das von uns bekommt, wenn wir es haben und zur Verfügung stellen können. Wir waren zum Beispiel an Kittelmanns großer Ausstellung „Paläste der Kunst“ mit einem eigenen Raum beteiligt. Insgesamt gab es eine Fülle von Zusammenarbeiten mit verschiedensten Museen auf Ebenen, die zunächst einmal nicht direkt sichtbar waren. Zum Beispiel haben wir für eine Reihe von Museen experimentelle Promotionstrategien entwickelt: für das Museum Ludwig, für das Völkerkundemuseum und für verschiedene andere. Es gibt auch Verbindungen zu einzelnen Galerien. Ich bedaure sehr, daß Tanja Grunert aus Köln weg und nach New York gegangen ist. Mit ihr haben wir immer sehr rege zusammengearbeitet. Bei ihr haben Künstler von uns ausgestellt, und zwar nicht nur große Künstler, also Professoren wie Valie Export, sondern auch in mehreren Fällen Studenten. Eine ganze Reihe unserer Studenten hatten Ausstellungen in Köln, auch in Galerien. Nur oft geht gar nicht hervor, daß sie mit der Kunsthochschule für Medien verbunden sind. Das hat auch damit zu tun, daß die Studenten sich bedeckt halten, denn als Student tritt man natürlich nicht so gerne öffentlich auf. Und sie sind ja auch keine klassischen Studenten mehr, sondern sie sind oft schon 28, 29, 30 Jahre alt und haben ein Studium an einer anderen Akademie hinter sich. Wenn sie bei uns dann im Postgraduiertenstudium beginnen, haben sie nicht mehr unbedingt diese Identität als Studenten, sondern sind junge Künstler. Aber da findet eine ganze Menge statt. Das ist natürlich noch längst nicht genug, und wir arbeiten daran. Ich glaube, daß beide Seiten Zeit brauchen. Die Stadt braucht Zeit, und wir brauchen Zeit, die Galeristen brauchen Zeit. Ich merke einfach, daß das Interesse immer größer wird. Also, ich denke, da wird sich noch eine Menge tun.

Amine Haase: Die Kunsthochschule für Medien hat sich ja bereits auf Kölner Kunstmärkten vorgestellt. Wie ist denn die Integration in die Wirtschaft, sprich: Wie steht es um den Verkauf einer Kunst, die ja nicht auf Anhieb als handelbar erkennbar ist?

Prof. Zielinski:
Das ist eine hochkomplizierte Frage, und es gibt viele Antworten darauf. Die erste ist, daß wir Professoren kaum wissen, wenn und ob etwas im Kunstsektor verkauft wird von dem, was die Studenten erarbeitet haben, schon gar nicht, wenn die die Hochschule schon verlassen haben. Davon will ich auch im Grunde genommen gar nichts wissen. Ich habe mehr Erfahrungen in dem Bereich, der die Museen betrifft oder eben wirklich auch große Installationen, prozeßartige Inszenierungen, auch in Galerien. Das ist immer wieder ein äußerst komplizierter Vorgang, weil damit auch sehr viele Kosten verbunden sind. Das liegt in der Natur dieser Kunst mit Medien oder Kunst durch Medien, daß sie in dem Moment, wo sie sich auf neue Technologien einläßt, mit erheblichen Kosten verbunden ist. Da treten natürlich enorme Probleme für Museen und Galerien auf. Wir versuchen immer wieder durch dritte, vierte, fünfte Partner Finanzierungs-Konstruktionen hinzubekommen, so daß die Projekte realisierbar werden. Ich kann das an einem Beispiel deutlich machen: Eine unserer ja mittlerweile auch international bekanntesten jungen Künstlergruppen ist Knowbotic Research, die vor fünf Jahren die „Goldene Nica“ auf der Ars Electronica in Linz gewonnen haben. Von ihnen möchte ich sagen, daß sie es geschafft haben, daß sie als freie Künstler auf dem internationalen Markt überleben können. Wir mußten immer besonders phantasievoll sein, weil diese Projekte in der Regel mit viel Aufwand verbunden sind. Etwa 1995 haben wir ein Projekt der Gruppe auf die Beine gestellt, indem wir mit dem Hamburger Kunstverein, der Ars Electronica in Linz und der Kunsthalle in Wien zusammengearbeitet haben. Alle drei Institutionen haben jeweils ein Stück dieses Projektes mitfinanziert, und im Laufe des Jahres haben sie unterschiedliche Stadien dieses Projektes an den drei Orten vorgeführt. Das sind Modelle, an denen ich arbeite, die ich auch mit viel Phantasie zu entwickeln versuche. Eine Galerie allein oder ein einziges Museum kann das kaum schaffen. Im Duisburger Lehmbruck-Museum haben Knowbotic Reasearch letztes Jahr die neuere Arbeit nur in einer kleineren Form hinstellen können und nicht in der Originalform, weil das Museum es einfach nicht auf die Beine stellen und finanzieren konnte – trotz unserer Hilfe. Da liegt ein großes Problem. Aber es gibt einen deutlichen Trend, speziell in der Comuter-Technologie, die kleiner wird. Das bedeutet, sie wird preiswerter. Und, was viel wichtiger ist, die Künstler und Künstlerinnen, die damit arbeiten, haben gemerkt, daß es in dieser Entwicklung – immer mehr, immer komplexer, immer teurer – so nicht weitergehen kann. Daß nämlich die Abhängigkeiten, in die sie hineingeraten, zu groß sind, so daß viele von ihnen jetzt ganz bewußt, wie man im Jargon sagt, in die PC-Richtung gehen. Die Richtung geht zu kleineren Maschinen, die man zu Hause haben kann, die man autonom benutzen und auch selbst finanzieren kann. Selbst Gruppen, die in diesem High-Tech-Bereich arbeiten, gehen zunehmend in diese Richtung, was ich für sehr gut und wichtig halte. Man kann insgesamt sagen, daß der Hype, der noch vor drei oder vier Jahren im Bereich der High-Tech existierte und auch die Kunst mit Medien bestimmt hat, vorbei ist. Und darüber bin ich sehr froh. Wir haben dem ja immer kritisch gegenübergestanden. Ich denke, das ist eine entscheidende Situation. Wir sind an einem historisch wichtigen Punkt angekommen. Der Druck von Seiten der Ökonomie, von Seiten der Wirtschaft, von Seiten der Politik auf das, was uns wertvoll ist, wofür wir zu brennen versuchen oder auch brennen, wird immer größer. Das hat mit einem ganz eigenartigen Prozeß zu tun, über den ich in den letzten ein, zwei Jahren sehr viel nachgedacht habe. Vor wenigen Jahren noch war das, was man mit „Kunst durch Medien“ oder „Kunst mit Medien“ bezeichnet hat, an der Peripherie, galt als exotisch und wurde abgelehnt. Man beschäftigte sich nicht damit, aus welchen Gründen auch immer. Es stand einfach nicht im Zentrum von gesellschaftlicher Aufmerksamkeit. Aber seit einigen Jahren rückt gerade das ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Politiker merken, daß man sich damit Legitimationen beschaffen kann. Wirtschaftler stellen fest, daß das sinnvoll sein kann, um bestimmte langfristige Strategien zu entwickeln für die Informations-Gesellschaft. Dadurch entsteht eine enorme Drucksituation. Da müssen Künstler und diejenigen, die sich kritisch mit Kunst auseinandersetzen, neue Wege finden. Sie müssen Identitäten bilden, die stark genug sind, daß man in Würde überleben kann. Es geht nicht mehr darum, daß diese Kunst überleben kann, es geht darum, in Würde weiterzuleben. Das ist, finde ich, ein ganz entscheidender Punkt.

Amine Haase: Heißt das, Ihre Studenten müssen sich entscheiden, ob sie sich eines Tages an „Hollymünd“ anschließen, oder ob sie persönliche Projekte durchsetzen wollen? Geht es also um eine grundsätzliche Entscheidung? Und wieweit stützen Sie die eine Möglichkeit, und wieweit favorisieren Sie die andere?

Prof. Zielinski:
Vor diese Entscheidung stellen wir die Studenten immer wieder. Aber wir fördern vor allem die Möglichkeit, daß die jungen Leute sich frei entwickeln können – und dann vielleicht in zehn oder 15 Jahren solche wichtigen Lebensentscheidungen treffen können und müssen. Wir versuchen, diese Art von Schutz so stark wie möglich zu machen. Wir legen viel Wert darauf, daß diese Kunsthochschule eine Art Elfenbeinturm ist, aber ein Elfenbeinturm mit vielen Öffnungen, mit Fenstern, die immer wieder aufgemacht werden müssen, um frischen Wind hereinzubekommen. Die Studenten dürfen nicht den Kontakt zur Realität verlieren, sondern müssen darauf vorbereitet sein, was ihnen nach dem Studium begegnen wird. Die innere Konstruktion der Hochschule zwingt sie auch ständig, sich damit auseinanderzusetzen. Man muß sich das ganz praktisch vorstellen: Da geht jemand aus dem Seminar, in dem es stark um angewandtes Fernsehen oder Design ging, und er trifft in einer anderen Seminar- oder Projektsituation mit David Larcher, unserem Professor für Videokunst, zusammen. Da knallen Welten aufeinander. Und beide verunsichern sich, wechselseitig. David Larcher ist ein Videokünstler, der nicht installativ arbeitet, sondern Videokunst macht, die auf das bewegte Bild, auf das Band konzentriert ist. Es gibt also immer wieder Anlässe zu argumentativem Streit und zu Auseinandersetzung. Das goutieren die Studenten. Und so werden sie ständig vor Entscheidungssituationen gestellt. Wir müssen helfen, wobei helfen vor allem heißt: Wir müssen ihnen Schutz geben, wir müssen sie vor Verführungen schützen. Denn es gibt Leute, die alles Neue am liebsten ganz schnell abgreifen und die Hochschul-Absolventen irgendwo in industrielle Zusammenhänge hineinführen wollen. Ein anderes Problem, das vielleicht noch wichtiger ist, heißt „Zeit“. Wir müssen versuchen, den Studenten Zeit zu geben. Da bin ich auch sehr selbstkritisch, weil ich selber jemand bin, der ständig und schnell unterwegs ist. Ich habe erst in den letzten zwei bis drei Jahren gelernt, daß das, was wir hier machen, enorm viel mit der Zeit zu tun hat, die wir nicht haben. Die Zeit ist ja wirklich das einzige, was wir nicht haben. Sie hat uns. Und wenn die Kunst durch Medien irgendwas ist, dann ist es Zeitkunst, also eine Kunst, die sich in der Zeitdimension bewegt und nicht nur bezogen auf die nehmung. Das betrifft auch die Produktion, die Darbietung, ja die gesamte Existenz dieser Kunst. Und damit müssen wir besser umzugehen lernen. Die ganze Ökonomie weltweit wird ja derzeit umgestellt auf eine Art von zeitbasierter Ökonomie. Die Arbeitszeit der Menschen oder die Lebenszeit der Menschen wird intervallisiert, in kleinste Rhythmen zerteilt, bis sie dann irgendwann über Bits und Bytes im Internet abrechenbar ist. Da dann zeitliche Freiräume zu schaffen, damit die Studenten sich mit ihren eigenen Ideen entfalten können und nicht ständig unter enormem Druck produzieren müssen – das gehört wirklich zum Schwierigsten. Schließlich lassen sich die Studenten natürlich auch gerne darauf ein, wenn ein attraktives Projekt nach dem anderen kommt. Aber wir wissen, wenn Kunst nicht – im sten Sinne des Wortes – diese Muße hat, diese zeitlichen Freiräume, mit denen auch einmal Leerlauf verbunden ist und Ausruhen, genauso wie Turbulenz und Chaos, dann kann nichts Gutes dabei herauskommen.

Amine Haase: Wie kann da die tägliche Arbeit aussehen, die Praxis?

Prof. Zielinski:
Zum Beispiel diskutieren wir derzeit sehr intensiv das, was man Curriculum nennt, das heißt: wie unser Studium organisiert ist. Wie können wir es schaffen, daß wir – obwohl die Studenten unter enormem Leistungsdruck arbeiten müssen bei uns – die Zeit, die wenige, die ihnen hier zur Verfügung steht, ausnutzen für die Entfaltung ihrer künstlerischen Arbeit. Wie können wir unter diesen Bedingungen jedem diese Freiräume, so reich wie möglich, gewährleisten. Das ist nicht ganz einfach.

Amine Haase: Aber aus Ihrer Schilderung könnte man den Schluß ziehen, daß Köln ein idealer Standort für eine solche Schule ist, die ja einen Spagat versucht, der eigentlich unmöglich erscheint. Köln versucht ja auch, zwischen römischem Urgrund und Hollywood zu balancieren…

Prof. Zielinski:
Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß Köln ein sehr guter Ort für ein solches Experiment ist. Ich vermisse nur oft eine gewisse Großzügigkeit und eine gewisse Risikobereitschaft im Umgang mit dem, was wir tun. Da finde ich Köln dann eben oft auch wiederum provinziell. Was ich an der Stadt sehr schätze, ist das, was wir gerade erleben: Wir sitzen hier und versuchen, konzentriert ein Gespräch zu führen, und draußen versucht ein Möbelwagen einzuparken, Scherbenhaufen entstehen da draußen: Das ist der Einbruch der Realität, also kann das hier überhaupt kein kompletter Elfenbeinturm sein, niemals, wenn man hier in der Stadt arbeitet. Die Realität des Alltags ist für eine Kunsthochschule neuen Typs, wie wir uns verstehen, enorm wichtig. Aber was ich immer wieder vermisse, ist eben eine größere Risikobereitschaft im Umgang mit Neuem. Da setzt man in Köln dann doch allzu oft immer wieder auf das Konventionelle. Ich könnte Ihnen ein Beispiel nennen, das natürlich für die Zeitung, für die Sie als Kunstkritikerin arbeiten, das denkbar schlechteste ist. Wir waren vor anderthalb oder zwei Jahren in sehr intensivem Gespräch mit Alfred Neven DuMont und mit dem koreanischen Architekten, der das neue Haus an der Amsterdamer Straße in Köln-Niehl gebaut hat. Dabei ging es darum, diesen, ich glaube, 25 Meter hohen Glasturm in der Mitte auf eine Art und Weise künstlerisch zu inszenieren, die dem Verlagshaus und dem, was es verkörpert, aus unserer Sicht adäquat gewesen wäre. Es ist ein sehr, sehr schönes Projekt entwickelt worden. Alfred Neven DuMont fand es sehr spannend, aber am Schluß war es wohl auch zu teuer – aber vor allem „zu nervös“, zu unberechenbar.

Amine Haase: Wie sah das Projekt aus?

Prof. Zielinski:
Das ist etwas schwierig zu erklären, aber der Grundtenor war, daß dieser Turm eine transparente Haut bekommen hätte, die auch elektrisch aufladbar gewesen wäre, so daß man sie bespielen kann. Die Idee war, daß man den ganzen Strom von Nachrichten, von Energien, mit dem so ein Verlagshaus zu tun hat – mit den Nachrichtenagenturen, aber auch die Arbeit, die im Haus stattfindet und nach außen geht – daß man die versucht, als eine lebendige Präsenz auf der Haut dieses Turms zu inszenieren. Das wäre tagsüber ja weniger spektakulär gewesen, aber in den Zeiten, wenn die Zeitung heißläuft, hätten wir dann etwas dynamisch sich Entwickelndes, Prozeßorientiertes gesehen. Im Umgang mit dem Neuen würde ich mir generell in Köln mehr Mut wünschen. Das betrifft auch die Galeristen und öffentlichen Institutionen, die sollten einfach ein bißchen mehr probieren. Was kann denn schon schiefgehen? Man kann darüber heftig diskutieren, das gehört doch zur Kunst, aber es ist nicht der Untergang des Abendlandes. Ich habe das Gefühl, daß man hier noch wirklich viel lernen muß, was die Risikobereitschaft und die Abenteuerlust anbelangt.

Amine Haase: Sie legen ja einmal im Jahr die Bilanzen offen, indem Sie den „Rundgang“, wie das an der Kunstakademie in Düsseldorf heißt, anbieten. So kann jeder sich ein Bild machen, in welche Richtung es geht. In den letzten zwei, drei Jahren konnte man einen enormen Qualitätssprung erleben. Liegt es auch an der Struktur des Studiengangs, daß die Entwicklung plötzlich so sichtbar wird?

Prof. Zielinski:
Ich bin natürlich fest davon überzeugt, daß es auch an der Struktur des Studiengangs liegt. Aber ich glaube, das Allerwichtigste ist, daß Strukturen so etwas nicht hervorbringen können, sondern nur Menschen. Ich glaube erst mal nicht an Strukturen, sondern zunächst an Menschen. Und wir haben eine große Kraft und eine große Konzentration im Aufbau der Hochschule in den letzten Jahren darauf verwendet, gute Künstlerinnen und Künstler in allen Bereichen inklusive des Designs und des Fernsehens und des Films hierher zu bekommen. Das kann man allmählich an den Resultaten sehen. Es ist die Konsequenz aus dieser kontinuierlichen Arbeit von hervorragenden Kolleginnen und Kollegen mit jungen Leuten, die dann natürlich auch viel Gutes hervorbringen können. Es wird ihnen Mut gemacht und damit die vorhin eingeklagte Risikobereitschaft gefördert. Das ist ungeheuer wichtig. Gerade in diesem Jahr konnte man bei dem Rundgang sehen, wie ständig versucht wird, einen eigenen Weg zu gehen, sehr eigenwillig etwas zu inszenieren, bis zur Darstellung im Raum. Ich denke, das ist das wichtigste, mit Künstlerinnen, Künstlern, wie mit Valie Export, mit David Larcher, Jürgen Klauke in der Fotografie, Thomas Schmitt für bestimmte Fernsehbereiche, mit Frans Vogelaar für mediale Raumgestaltung. Aber ich will jetzt nicht alle aufzählen. Alle sind Persönlichkeiten, die nicht in sich abgeschottet sind, sondern die in ihrer Arbeit eine große Offenheit haben, die auch, und da macht das Wort dann auch Sinn, multimedial arbeiten, immer wieder verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten für sich ausprobiert haben zwischen Fotografie und Film und auch Malerei. Diese Art von Offenheit verspüren die Studenten.

Amine Haase: Sie arbeiten hier an der Schule nicht mit dem Meisterklassen-System, sondern mit einem sehr offenen Studium. Würden Sie die Struktur bitte erläutern?

Prof. Zielinski:
Die Struktur sieht so aus, daß die Studenten, die hier als normale Diplom-Studenten herkommen, in den ersten anderthalb Jahren ein sehr freies Studium haben. Sie brauchen sich nicht für einen bestimmten Bereich, für ein bestimmtes Fach festzulegen. Sie können frei sämtliche Einrichtungen der Hochschule benutzen, in sämtliche Lehrveranstaltungen gehen. Nach anderthalb Jahren machen sie dann ein erstes eigenständiges künstlerisches Projekt. Und mit diesem künstlerischen Projekt entscheiden sie sich für einen Schwerpunkt, in dem sie dann in der zweiten Studienhälfte studieren. Dieser Schwerpunkt, nehmen wir mal an Videokunst, bedeutet aber nicht unbedingt, daß sie um einen einzigen Meister kreisen und nichts anderes mehr machen. Es handelt sich vielmehr um ein offenes System, das von einem Schwerpunkt ausgeht, aber auch in andere Bereiche hineingehen kann. Wir diskutieren gegenwärtig – und das ist wieder die Zeitproblematik – ob wir diese anderthalb Jahre vielleicht etwas verkürzen auf ein Jahr, aus Gründen, die dann sehr viel mit Konzentrationsfähigkeit in der zweiten Studien-Hälfte zu tun haben. Da scheint uns nämlich die Zeit zu kurz zu sein. Aber prinzipiell ist das Studium so angelegt: eine Phase Orientierung, dann eine individuelle Schwerpunktbildung, die aber nicht klassenbezogen ist, sondern fachbezogen, die eine gewisse Bindung an einzelne Kollegen bedeutet, die aber offen ist auch in andere Richtungen. Mit dieser Grundstruktur hatten unsere Künstler und Künstlerinnen, soweit sie von anderen Akademien kommen, einige Probleme am Anfang. Aber mittlerweile denke ich, sehen die meisten, daß es das beste System ist für die Art von Akademie, wie wir sie verkörpern. Eine allzu enge Anbindung an einen Lehrkörper im Sinne einer edukatorischen Leibeigenschaft, wie man das von anderen Orten kennt, würde dem, was wir tun, diametral entgegenstehen.

Amine Haase: Vor einem Jahr ist in Karlsruhe ein Zentrum entstanden und an die Öffentlichkeit getreten, das lange Zeit als Konkurrenz zu Köln aufgefaßt wurde, vor allem weil es profilierte Kölner als Professoren berufen hat. Wie schätzen Sie das Verhältnis Karlsruhe – Köln ein? Können Sie sich hier auch die Anbindung eines Medien-Museums wie in Karlsruhe vorstellen?

Prof. Zielinski:
Nun, das letztere ist eine schwierige Frage, die, glaube ich, eher die Zeit beantworten muß. Aber ich versuche mal darauf einzugehen – ohne Kommentierung des Karlsruher Projekts, außer der, daß ich die Arbeit des Kollegen Klotz sehr schätze. Aber vielleicht kann man es so formulieren: Karlsruhe ist von Anfang an ein Projekt gewesen, das sehr stark auf Repräsentativität angelegt war. Das Museum ist ein wichtiger Bestandteil davon. Wir haben den Inhalt unserer Arbeit auf das Studium und die Entwicklung von künstlerischen Projekten, auf den Laborzusammenhang gelegt. Das sind die wesentlichen Unterschiede. In Köln ist ja auch die ökonomische Situation ganz anders. Das, was in Karlsruhe investiert worden ist, ist ein Vielfaches von dem, was hier für die Kunsthochschule für Medien ausgegeben worden ist. Wir versuchen hier ersteinmal, eine wirklich gute Produktionsstätte, eine gute Akademie, ein gutes Labor aufzubauen. Und dann kann langfristig durchaus darüber nachgedacht werden, ob die Angliederung in Richtung eines Museums machbar ist. Aber das halte ich für eine Entwicklung, die vielleicht nachfolgende Generationen entscheiden müssen. Wir haben uns hier ganz klar entschieden für die Akademie, fürs Labor und für den Aufbau des Personals, das für die Ausbildung entscheidend ist. Alles andere wird man dann langfristig angehen. Meine Aufgabe verstehe ich so, daß in diesem Land junge Künstler und Künstlerinnen ausgebildet werden, die diese eigenartige mediale Entwicklung künstlerisch kommentieren, kritisch reflektieren, die auch natürlich Gegenbewegungen zu organisieren, die Brüche zu organisieren in der Lage sind. Das ist mir sehr wichtig: Eine Art von Seismograph zu haben für diese komplizierte Situation, in der sich unsere Kultur befindet. Das ist mir wichtiger, als repräsentative Einrichtungen, wo Sie dann vielleicht Dinge stehen haben, die zum großen Teil eigentlich schon Antiquitäten sind – und auch enorm schwer zu unterhalten.

Amine Haase: Und wie würden Sie – gesetzt der Fall, eine Medien-Museums-Idee würde verfolgt – eine Trennung zwischen einer traditionell im Kunstmuseum herkömmlicher Art plazierten Kunst und der in einem Medien-Museum beurteilen? Fände nicht eine Teilung in zwei Kategorien von Museen statt? Und müßte nicht beides gerade in einer Stadt wie Köln, vielleicht weniger in Karlsruhe, ineinandergreifen?

Prof. Zielinski:
Ja, ich würde noch weitergehen. Sie sprechen einen sehr wichtigen Punkt an. Da bin ich zum Beispiel mit (dem neuen Direktor des Karlsruher ZKM) Peter Weibel immer wieder einig: Wir müssen neue Orte entdecken und entwickeln für das, was wir tun. Der Begriff „Medienkunst“ gefällt mir nicht aus verschiedenen Gründen. Ich spreche lieber von Kunst durch Medien oder Kunst mit Medien. Das trifft die Sache für mich besser. Aber das bedeutet auch, ganz praktisch neue Präsentationsformen, neue Orte zu entwickeln, an denen diese Art von Kunst stattfinden kann. Wir haben hier recht interessante Experimente in der Stadt gemacht, die zum Beispiel mit dem urbanen Raum zu tun haben, mit dem Versuch, mit dieser Art von Kunst in städtische Situationen hineinzugehen, also in dem Zwischenbereich zwischen Architektur und Kunst sich aufzuhalten, aber auch zum Beispiel in einen konzertanten Bereich zu gehen. Es gibt sehr viele aktive junge Leute hier, die mit der Musikszene in Köln enge Verbindungen haben, zum Beispiel mit der Techno-Szene. Einige der auch mittlerweile weit über das Land hinaus bekannten Techno-Musiker studieren hier unter anderem auch. Das weiß man nur nicht, aber das sind Dinge, die wichtig sind. Damit könnte man natürlich auch die traditionellen Museen besetzen, indem wir sie davon überzeugen, daß das, was wir tun, auch für die Zukunft, für ihre Zukunft wichtig ist. Aber auch ganz neue Orte zu finden und zu definieren, finde ich sehr spannend. Einer meiner Träume ist zum Beispiel, daß wir es hier in Köln schaffen können, im Laufe der Jahre rund um die Kunsthochschule für Medien eine ganze Reihe von experimentellen Satelliten einzurichten, in denen junge Künstler und Künstlerinnen entwickelnd, forschend produzieren und arbeiten können. Wir haben jetzt ein solches Laboratorium im Mediapark, Membrane, wo Knowbotic Research arbeitet, und wo der Kanadier Stewart Rosenberg oder der Norweger Stenslie Stahl zum Beispiel gearbeitet haben. Die haben da ihre Projekte noch relativ geschützt, aber schon unter gewisser Aussetzung gegenüber dem Markt, entwickeln können. Ich hoffe, daß wir jetzt ein zweites Labor bekommen für eine Gruppe von Künstlern und auch noch ein Drittes. Das ist das, was wir brauchen: Orte für diese Art von Kunst, die wir machen. Diese Kunst braucht enorm viel Zeit, sie braucht enorm viel Entwicklungsarbeit, und dazu braucht man Orte, an denen das passieren kann. Das ist nicht mehr das klassische Museum. Es muß vielmehr zugleich ein Laboratorium sein, ein Ort, der sich darauf einstellt, daß er vielleicht auch nur fünf Jahre oder sieben Jahre existiert und nicht für die Ewigkeit. Das sind Dinge, die noch sehr wenig entwickelt sind.

Amine Haase: Setzen Sie sich nicht in einer Stadt, die im Jahre 1998 noch Museums-Neubauten plant – für herkömmliche Kunst – mit diesem atomisierten Projekt dem Verdacht der Subversivität aus?

Prof. Zielinski:
Also, dem Verdacht der Subversivität setze ich mich liebend gerne aus, weil ich denke, daß die Situation, in der sich die Kultur derzeit befindet am Ende dieses Jahrhunderts und zu Beginn dieses wunderschönen neuen Jahrtausends, diese Subversivität unbedingt benötigt. Wir sind doch mit einer kulturellen Entwicklung konfrontiert, die enorm viel mit Standardisierung zu tun hat, mit Gleichmacherei, mit Grammatikalisierung. Die Technik hat dabei einen wichtigen Stellenwert. Gegenwärtig laufen 95 Prozent sämtlicher PC mit dem Betriebssystem eines einzigen Mannes. Wenn man sich vorstellt, was das bedeutet für die Sprache, die aus den Computern herausholbar ist, so ist das einfach ungeheuerlich, ein kultureller Skandal erster Güte, nicht nur ein ökonomischer. Das wissen wir, das wurde ja in den USA heiß diskutiert. Das wäre so, als wenn 95 Prozent der Weltbevölkerung eine einzige Sprache sprechen müßten, um sich überhaupt miteinander verständigen zu können. Also, wir haben es mit enormen Standardisierungsprozessen zu tun, die natürlich auch viel mit Ökonomie zu tun haben. In einer solchen Situation ist es ungeheuer wichtig, subversiv zu sein, Brüche zu wagen, Dynamiken, Turbulenzen zu organisieren und immer wieder auch im Modell zu zeigen, daß anderes möglich ist. Wir haben uns mit der Kunsthochschule für Medien mittlerweile recht produktiv auf eine dezentrale Organisation dieser Schule eingelassen. Wir sind auf acht verschiedene Werkstätten, Labore, Orte verteilt, die natürlich miteinander vernetzt sind, wie man so schön sagt. Die Verbindung klappt sehr gut, aber es ist eine dezentrale Organisation. Auch das scheint mit – ich will das überhaupt nicht idealisieren – ein Arbeitsmodell zu sein, das man zumindest mal eine Zeit lang praktizieren kann, um zu zeigen: Es kommt nicht nur auf das eine große repräsentative Gebäude an, damit man spannende Kunst entwickelt. Es sind auch andere Formen denkbar, andere Formen möglich. Ich würde mir da in Köln noch viel mehr Mut wünschen. Leider habe ich das Gefühl, daß man an verschiedenen Stellen noch zu sehr auf das 19. Jahrhundert setzt und mit Organisationsformen von Arbeit und Kultur operiert, die obsolet sind, überholt. Ich schweife jetzt ein bißchen ab: Diese Branche, mit der wir es in den Medien zu tun haben, ist nicht die Branche der Seßhaften, die die großen gigantischen Produktionshallen benötigt. Die Medienleute reisen von Ort zu Ort, die gehen dorthin, wo sie Subventionen bekommen, Geld, um ein Projekt zu realisieren. Sie sind mit ihren Laptops, Handys und was auch immer ständig unterwegs. Die brauchen keinen festen Ort für die Ewigkeit. Darauf muß sich eine städtische Kultur und Ökonomie auch einstellen, sonst ist sie eben wirklich von gestern.

Amine Haase: Und die Kunst? Können Sie Tendenzen innerhalb der künstlerischen Entwicklung ausmachen?

Prof. Zielinski:
Eine sehr wichtige Tendenz ist ganz deutlich, daß der Computer als zentrales Arbeitsinstrument an Attraktivität verloren hat für die jungen Leute. Das heißt, er ist nicht mehr dieses Ding, worauf sie sich stürzen und aus dem sie versuchen alles herauszuholen. Er ist vielmehr wie selbstverständlich zu einem Arbeitsinstrument unter anderen geworden. Man kann auch unterschiedliche Instrumente nebeneinander benutzen. Mit die wichtigsten Projekte sind für uns immer diejenigen, bei denen unterschiedliche mediale Formen miteinander verzahnt, verkoppelt werden, also von der Kinematographie oder der Fotografie bis hin zu den digitalen Medien. Valie Export macht gegenwärtig ein Projekt, das sie Hybrid-Medien nennt; es geht um hybride Formen von medialen Konstruktionen. Die werden auch für die Studenten, für die jungen Künstler und Künstlerinnen immer wichtiger. Was ich daran bedeutsam finde, ist, daß man sich verabschiedet hat von einem Master-Medium. Eine Zeit lang sah es so aus, als hätten wir ein neues Master-Medium mit dem Computer. Und das fände ich eine relativ gefährliche Entwicklung, weil damit Kultur auf einen bestimmten Fluchtpunkt hinauszulaufen scheint. Das ist nie gut für Kultur. Ich bin ein heftiger Anhänger von dem, was man Heterogenität, Vielfalt nennt, also diese nervöse Mannigfaltigkeit von Arbeitsansätzen und von Ausdrucksmöglichkeiten. Das scheint immer stärker auch bei den jungen Künstlern und Künstlerinnen hier zu greifen. Ein anderer Trend, der deutlich zu beobachten ist, ist eine stärkere Sehnsucht wieder nach haptischem Material. Es wird zwar weiter mit den elektronischen Medien gearbeitet, aber es wird verbunden mit Erfahrungen, die im direkten Sinne des Wortes sinnlicher Art sind und sich mit Materialien auseinandersetzen, die aus dem traditionellen Bereich kommen. Die Verknüpfung des Medialen mit den neuen Technologien finde ich sehr wichtig. Zum Beispiel etwa die Arbeit von Ursula Damm, die vor gut zwei Jahren, als sie hier ihr Studium aufnahm, als Bildhauerin zu uns kam, eine Schülerin von Günther Uecker in Düsseldorf. Sie hat jetzt eine Arbeit entwickelt, die viele ihrer visuellen Ideen von früher noch enthält, mit der sie sich aber auf ein ganz anderes Gleis begibt, nämlich das, was man so schön „virtuelle Welten“ nennt. Man spürt bei allem Neuen den ganzen Durchgang durch die klassische bildende Kunst. Das gleiche gilt für Gudrun Peukert, die aus der Malerei kommt, auch eine ehemalige Schülerin von der Düsseldorfer Akademie, die das Programmieren ansatzweise erlernt hat und sich in einem mühsamen Lernprozeß durch diese neuen Materialien oder Immaterialitäten hindurchgearbeitet hat. Daraus entstehen Bilder, die so in der Computerwelt noch nicht zu sehen waren. Das finde ich sehr spannende Entwicklungen. Überhaupt erscheint mir der Punkt wichtig, daß wir nie über Kunst durch Medien so denken sollten, als sei das der Endpunkt, der mögliche Endpunkt irgendeiner Entwicklung. Auch das ist nur ein Durchgangsstadium. Auch „Kino und Fernsehen“, wie eines meiner Bücher heißt, sind „Zwischenspiele in der Geschichte“ In der Mitte des 20. Jahrhunderts dachte man, Fernsehen wäre medial der Endpunkt aller Entwicklung. Mittlerweile denkt kaum jemand überhaupt noch über Fernsehen als Medium wirklich nach. Am Anfang des Jahrhunderts oder Ende des 19. Jahrhunderts dachte man, der Film sei sozusagen der Fluchtpunkt, auf den sich alle Kunst hin bewegen müsse. Völlig verkehrt. Das sind Zwischenspiele. Die spannendsten künstlerischen Prozesse sind die, welche sich intensiv auf diese Phasen einlassen, die durch sie hindurch woanders hingehen, aber bei diesem Durchgang soviel wie möglich von dem ganzen Reichtum, der darinsteckt, mitnehmen und die Kunst woanders hintreiben. Eine Malerin wie Claudia Schink, die mit schönen Ausstellungen auch in Köln präsent war, ist für mich ein sehr gutes Beispiel: Sie kam als Malerin zu uns, hat sich hier zwei Jahre intensiv auch mit neuesten Technologien auseinandergesetzt. Parallel dazu, aber insbesondere danach, hat sie wieder ihre großen Tafelbilder gemalt. Aber diese Bilder sehen anders aus als die, die sie vorher gemalt hat. Und das ist sehr spannend. Also, wir fordern nicht, daß am Schluß des Studiums an der Kunsthochschule für Medien irgendein flimmerndes Produkt steht. Es kann ohne weiteres auch ein gemaltes Bild, eine Skulptur am Schluß stehen oder auch etwas, was man lesen kann. Auch das ist denkbar. Ich betrachte diesen Ort als eine Art von intensivem Durchgangsstadium, das aber notwendig ist, um sich neue Welten zu erobern oder die alten, die man kennt, zumindest zu erweitern und reicher zu machen.

Amine Haase: Das verbindet Ihr Konzept, das zwischen Kunst und Medien balanciert, wieder ganz direkt mit der Kunst. Dort ist ja auch oft einfach langweilig, was abgeschlossen ist und perfekt. Auch dort empfindet man eher das Suchende und die Durchgangsstadien als interessant. Insofern schließt sich der Kreis…

Prof. Zielinski:
Ja, wir sind wieder bei dem Dazwischen. Wunderbar.

Interview of Prof. Dr. Siegfried Zielinski the rector of the Academy for Media Arts by Amine Haase for Kunstforum.

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