Neue Mobilität @ A2B Internationales Architektur Symposium

Die Welt ändert sich und mit ihr die Städte.

Die neuen Möglichkeiten der physischen Mobilität im Industriezeitalter haben Architektur und Stadtplanung massgebend beeinflusst.

Die Frage stellt sich jetzt, wie sehr sich die gegenwärtige Revolution der Informations- und Kommunikation auswirken wird.

Vortrag Technologie und Stadt @ A2B Internationales Architektur Symposium, Messe Basel, Schweiz, 24+25 Januar 2002

Neue
grenzenlose
Mobilität

„Des yeux qui ne voient pas“ höhnte Le Corbusier 1923 in „Vers une architecture“, über die Architektur seiner Zeitgenossen, die in Traditionen verhaftet blieb. Sein Manifest illustrierte er mit Fotos von Automobilen, Flugzeugen, Eisenbahnabteilen und Dampfschiffen. Die Revolution der mechanischen Mobilität hatte die Welt in Bewegung versetzt. Zusammen mit den tonangebenden Industrien des Maschinenzeitalters sollten die Architekten eine neue, eine moderne Architektur erfinden.

Und er ging auch gleich mit dem „guten Beispiel“ voran. Mit dem Projekt „Ville Contemporaine“ entwarf Le Corbusier die Vision einer autogerechten Stadt für drei Millionen Einwohner. 1934 meldete sich dann der berühmte Gegenspieler Le Corbusiers, der Amerikaner Frank Lloyd Wright, mit seiner Utopie des modernen Städtebaus zu Wort: der Gartenstadt „Broadacre City“, einer rechtwinkligen Urbanisation des Landes, die urbane Moloche, wie Chicago oder New York, überflüssig machen sollte. Auch dieser Entwurf baute ganz und gar auf die neue physische Mobilität, die sich durch das individuelle Verkehrsmittel, sprich Auto, eröffnet hatte.

Zwar blieben diese Entwürfe abstrakte Denkmodelle. Dennoch hat die neue Mobilität die Struktur und damit auch das Bild der Städte massgeblich verändert. Sie zerfielen in Wohnquartiere sowie Arbeits- und Industriegebiete, Freizeitviertel sowie grosse Einkaufszentren an der Peripherie. Dazwischen rollte der Verkehr über neue gewaltige Stadtautobahnen. Das Streben nach einem Höchstmass an individueller physischer Mobilität hat aber auch seine Grenzen: immer mehr und immer öfter bleiben die Ströme der sich Bewegenden im Stau stecken.“

„In der Zwischenzeit hat sich eine neue technologische Revolution angekündigt, eine Revolution einer neuen Form von Mobilität, die scheinbar keine Grenzen zu kennen scheint: Das globale digitale Netzwerk schafft neue Wege der Beziehung zwischen Aktivitäten und Orten. Seite an Seite mit den physischen Treffpunkten etablieren sich virtuelle Marktplätze. Kommunikation und die Nutzung von Dienstleistungen sind nicht mehr unbedingt auf physische Mobilität angewiesen. Virtuelle Städte, Universitäten, Messen und Seelsorger lassen sich besuchen, ohne dass man sich vom Stuhl erhebt. Telemedizin kann in immer mehr Fällen den Arztbesuch ersetzen, Finanzgeschäfte lassen sich sowieso viel leichter online erledigen. Und in vielen Fällen ist die physische Anwesenheit am Arbeitsplatz längst keine Notwendigkeit technischer Natur mehr. Mit anderen Worten: Man kann mobil sein und trotzdem mit ein- und demselben Ort verbunden bleiben; man kann immobil sein und über die Datennetze dennoch stets mit verschiedenen Orten in Verbindung bleiben. Der Mensch, der Bewohner von Häusern und Wohnungen in Siedlungen, gerät dadurch in ein neues Spannungsfeld zwischen physischer und virtueller Mobilität. Keine Frage: der Siegeszug der neuen Kommunikationstechnologien beeinflusst Architektur und Städtebau in ihren Grundbegriffen von Funktion und Zweck. Das globale digitale Netzwerk hat eine neue Infrastruktur geschaffen, die Städte und einzelne Gebäude ebenso eingreifend beeinflussen können, wie das Autobahnen, Elektrizitätsleitungen und Telefonnetze in Vergangenheit getan haben.“

Neue
urbane
Infrastruktur

William J. Mitchell, Dekan der Architekturfakultät am MIT, beschreibt diesen Prozess in „etopia“ als gleichwohl schleichend wie auch unaufhaltsam: „Neue urbane Infrastrukturen haben in der Vergangenheit immer zuerst mit der Verbindung von bereits existierenden Knotenpunkten angefangen, welche durch ältere Netzwerke erzeugt und unterhalten wurden. Dann, wie Parasiten, welche ihren Wirt übernehmen, haben sie die Funktionen der Systeme, denen sie überlagert wurden, transformiert; sie haben Aktivitäten neu verteilt und die Systeme auf unvorhergesehene Weise erweitert.“

Es ist davon auszugehen, dass die Stadt als physischreales Zentrum von Politik, Wirtschaft und Kultur überleben wird. Auch die digitale Vernetzung hat ihre Knotenpunkte: die sogenannten Nodes. Die Datenatlanten der Cybergeographen zeigen, dass solche Nodes noch weitgehend deckungsgleich sind mit den traditionellen urbanen Zentren. Phänomene, wie die Brainparks der Softwareindustrie, welche im indischen Bangalore als Folge der Installation von direkten Satellitenverbindung ins Kraut geschossen sind, lassen aber erahnen, dass die neue Ökonomie auch eine neue Logik der Standortvorteile mit sich bringt.

Auf alle Fälle erhält die Stadt durch die Verdichtung der Kommunikationsnetzwerke einen neuen Schub im Prozess ihrer steten Transformation. „Urbane Organismen verändern sich von hierarchisch strukturierten Systemen des Zentrums und der Peripherie, wo die Peripherie rund um ein einziges Zentrum organisiert ist, zur Heterarchie von Netzwerk Organisationen“, erklärt Frans Vogelaar, Architekt, Partner bei Hybrid Space Lab und Professor für Hybrider Raum an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Oder wie der italienische Architekt und Städteplaner Stefano Boeri feststellt, eignen sich Begriffspaare wie „Zentrum – Peripherie“ oder „öffentlich – privat“ kaum mehr für die Analyse der städtischen Netzwerke des digitalen Zeitalters. Die Herausforderungen, die sich dadurch für die Städteplanung ergeben, sind immens.

Neue
Bautypen

„Aber nicht allein das Funktionieren grosser Stadtregionen ist betroffen, sondern genauso die alltägliche Mobilität des Arbeitens, Wohnens oder Einkaufens. Auch im Bereich der Organisation und Typologie von einzelnen Gebäuden stellen sich der Architektur damit neue Herausforderungen. So haben flexible Arbeit und Telearbeit die Grundsatzfragen beim Entwurf von Bürogebäuden seit längerem bereits zu verändern begonnen. Das Bürogebäude ist nicht mehr in erster Linie der Ort, wo Schreibmaschinen oder Computer stehen. Dagegen tritt seine Rolle als physischer Treffpunkt der Mitarbeiter einer Firma in den Vordergrund. Architektonische Lösungen aus anderen Baugattungen – Lobbies, Lounges und dergleichen – halten Einzug.

Vergleichbare Entwicklungen zeichnen sich auch beim Entwurf von Universitäten, Schulen, Krankenhäusern oder Gefängnissen ab. Bei all diesen Institutionen verändert sich die organisatorische Struktur. Als Folge da-von entstehen neue Bautypen – bis hin zum Punkt wo Institutionen sich auflösen oder ineinander aufgehen und neue, hybride Gebäudeformen hervorbringen.“

Neues
Bauen

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien beeinflussen die Arbeit der Architekten nicht nur in ihren Aufgaben, die an sie herangetragen werden, sondern auch in der Art und Weise, wie sie diese Aufgaben erledigen. Im Grundsatz formulieren Architekten die Wünsche und Anforderungen ihrer Kunden als Raumprogramm und stimmen sie ab auf die örtlichen Gegebenheiten der Baustelle und auf die Anforderungen von Baugesetzen und Reglementen. Sie entwerfen eine räumliche Organisation des Programms und präsentieren ihre Entwurfsidee mit Hilfe von Modellen, Plänen oder dreidimensionalen Visualisierungen. In ständigem Kontakt mit diversen Spezialisten arbeiten sie dann den Entwurf bautechnisch aus und legen ihn in Werkplänen fest. Diese dienen als Grundlage für die Realisation durch Bauunternehmer und Zulieferfirmen. Parallel zum Entwurfsprozesses werden Baukosten und Terminplanung laufend überwacht.

Jeder einzelne Schritt in dieser Informationskette ist von den Neuerungen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie betroffen. Das Internet hat den Zugang zu Daten, die für den Entwurfsprozess relevant sind, entscheidend vereinfacht. Zusammenarbeit auf Abstand wird ermöglicht durch E-Mail, aber immer mehr auch durch spezifisch auf die Bedürfnisse von Architekten zugeschnittene Kommunikationsplattformen. Das mobile Telefon ist aus dem Alltag der Baustelle nicht mehr wegzudenken und wird wohl bald durch das drahtlos vernetzte Laptop ergänzt werden. Digitale Werkpläne könnten mittels computergesteuerter Maschinen direkt in massgeschneidert vorfabrizierte Bauteile übersetzt werden. Solche neue Hilfsmittel stellen nicht zuletzt auch die Fragen bezüglich der Autorenschaft und der individuellen Kreativität neu.

Architektur und Städtebau sind zweifellos in wesentlichem Masse in den Einflussbereich der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien geraten. Am 24./25. Januar 2002 setzt sich das erste internationale Architektursymposium A2B 02 mit dem Titel „mobility : immobility“ in Basel mit den möglichen Folgen dieser Entwicklung auseinander. Das prominent besetzte Symposium bringt Architekten und IT-Spezialisten mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik zusammen. A2B findet im Rahmen der Baumesse Swissbau der MCH Messe Basel statt.

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