Publikation Förderverein der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus @ Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, Lehrstuhl Landschaftsplanung und Freiraumgestaltung, IKMZ Universitätsbibliothek, Cottbus, 13 Marz 2016
Soft
Urbanism
Heute, wo ökologische Aspekte an Bedeutung gewinnen und Circular Economy in der EU Strategie zentral wird, verlagert sich das Augenmerk der Architektur und des Städtebaus von der Fertigstellung neuer Objekte auf den Umgang mit Kreisläufen. Der Landschaftsarchitektur lag immer eine solche Orientierung an Kreisläufen und Prozessen nahe, da sie mit wachsender und vergehender Materie zu tun hatte. An den Ränder kommen diese Disziplinen zusammen; hier sind dann auch die Wechselbeziehungen und Metabolismen der verschiedenen Bereiche am wirksamsten.
Was den Rand interessant macht ist seine Schnittstellenfunktion: Am Rand greifen unterschiedliche Bereiche und Systeme mit deren Zirkularitäten und Metabolismen ineinander.
Der Rand in seiner Heterogenität verläuft auf Makro- Meso- als auch Nano-Ebenen. In dieser Vielheit ist der Rand nicht trennend sondern eindeutig verbindend.
Soft Urbanism steht für eine solche Haltung, nicht nur die Topographie zu betrachten, sondern die typologischen Beziehungen zu fokussieren.
Die Verbindungen sind hierbei längst nicht nur Straßen und physische Verbindungen. Heute verändern die digitalen Netzwerke grundlegend die bestehenden, auch räumlichen Hierarchien. Zentralitäten spielen zwar in der Ökonomie der Aufmerksamkeit weiterhin eine wichtige Rolle, die Orientierung aber wird von medialen Mitteln unterstützt und folgt daher anderen Logiken.
Soft Urbanism setzt den Fokus auf diesen Netzwerk-Charakter der urbanen Landschaft. In der, durch Fragmentierung und Perforierung bestimmten Stadtlandschaft, ermöglicht eine solche, sich auf die Netzwerke fokussierende Annäherung, ein operatives Verständnis, um verwebend auf die sich zersplitternde urbane Landschaft mit einzuwirken.
Eine Network Science richtet das Augenmerk auf die Netzwerke und ermöglicht, wie bei einem Röntgenblick, ein Verständnis der Entwicklung und Wirkung von komplexen Systemen in der realen Welt. Die „Network Science“ als Weiterentwicklung der Komplexitätstheorie, ist auch für das Verständnis des komplexen Systems Stadtlandschaft von Relevanz, um die topologischen Beziehungen, die die Entwicklung dieses hochkomplexen Gebildes vorantreiben, nachzuvollziehen, um dabei lenkend mit einzuwirken.
Im Rahmen eines Think Tanks der niederländischen Regierung sind wir der Frage nachgegangen welche Auswirkungen die Digitalisierung auf den Raum hat: The Use of Space in the Information Communication Age: Processing the Unplannable (1999-2002). Die Region, die Stadt, die Entwicklung der Stadtlandschaft aber auch das Haus, das Büro und die Universität; all diese Räume und ihre Raumnutzungen verändern sich mit zunehmender Digitalisierung und Vernetzung.
Hybrid Space steht für dieses Zusammenkommen und Verschmelzen von physischen und medialen Räumen und Raumpraktiken. Vieles befindet sich in einem Prozess der Hybridisierung. Verschiedene Bereiche integriert zusammenzudenken ist eine Innovationsstrategie, um die enormen Beschleunigungen mit denen wir zurzeit konfrontiert sind nachzuvollziehen und so einzusetzen, wie wir es als diskursive Gesellschaft auch haben wollen.
Die Hybridisierung vollzieht sich auch zwischen Natur und Stadt, zwischen Natur und Architektur. Im Kontext des Antropozän stellt sich die Frage, ob man den Kontrast von Artefakt und Natur noch aufrecht erhalten kann.
Zahlreiche Projekte, wie auch das aktuelle Projekt Humboldt Dschungel für das Berliner Humboldt Forum, belegen eine neue Integration von Natur in die Gebäude. Neben der Nutzung natürlicher Kreisläufe geht es hierbei auch um starke symbolische Werte, da die Fassade die Semantik der Natur in sich aufnimmt. Ein Zusammendenken der verschiedenen Disziplinen beginnt sich zu etablieren.
In der holländischen Randstad wächst der Global Player Flughafen ohne Bezug zu, ja sogar im Konflikt mit seiner direkten suburbanen Umgebung. Die Lokalitäten um den Flughafen Schiphol tragen die Lasten, profitieren aber nicht von der „globalen Kondition“ ihres Nachbarn.
Das Projekt Rooting Routes: Weaving Schiphol Airport within its Local Fabric, dass wir 2003 entwickelten, erkundete das Potential des Transit-Tourismus, um den Flughafen mit seiner Umgebung zu verzahnen. Für die Transit-Passagiere und die Geschäftsreisenden, die kurz zu ein paar Meetings im Flughafen eintreffen, wurde eine Reihe von kurzen Routen in der Umgebung vorgeschlagen. Diese thematischen Routen, die von historisch-didaktischen über Natur-Routen bis zu Shopping Safaris reichen und auch sportliche Aktivitäten beinhalten, sind auch mit Minibussen, Wasser-Taxis oder Fahrräder zu bewältigen. Diese Routen-Programme können kommuniziert, geführt und gelenkt werden mithilfe von Mobiltelefonen und anderen tragbaren Geräten.
Der Nicht-Ort Flughafen würde somit durch die lokalen Qualitäten seiner Umgebung an Identität gewinnen und die umgebenden Stadtteile und grünen Räume würden von der ökonomischen Ausstrahlung des Flughafens profitieren.
Beziehungen manifestieren sich heutzutage verstärkt digital, nichtsdestotrotz verlieren die analogen Beziehungen dadurch nicht an Bedeutung. Im Jahr 2004, im Kontext der Vorbereitungen für die Kulturhauptstadt Essen/Ruhrgebiet, entwickelten wir das Projekt Wir essen für das RUHRGEBIET: Dezentral in den Stadtteilen wurden Abendessen von den Bewohnern für die Bewohner veranstaltet; im Kulturhauptstadtjahr fand dann das Essen für das RUHRGEBIET an einer langen Tafel auf der A 40 statt.
Durch das Event wurde im Sommer 2010 die A40, das zentrale Verbindungselement des Ruhrgebiets, für einen Tag zu einer langen Tafel umcodiert. Die Bewohner und Besucher der ganzen Region und darüber hinaus aßen gemeinsam und schufen einen regionsverbindenden Ort der Kommunika¬tion. Das Projekt intervenierte auf der Ebene der Wahrnehmung und der Kommunikationsprozesse der Urbanität; diese wurden verändert und intensiviert. Räume wurden umgewertet; neue Kontakte, neue Beziehungen entwickelt und neue positive Zeichen gesetzt.
Soft Urbanism, als ganzheitliche Betrachtung von Urbanität, die auf die typologischen Beziehungen fokussiert, ist auch im Schrumpfungszusammenhang von Bedeutung.
Die schrumpfende Stadt und die sich damit vervielfälti¬genden Ränder sind weitestgehend negativ konnotiert. Im Sinne eines Back to Nature kann die Eigenschaft mehr Raum und mehr Landschaft zu haben jedoch auch positiv gesehen werden. Die damit verbundenen Probleme bestehen in der Infrastruktur: Wie können nötige Dienstleistungen wie Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und öffentlicher Nahverkehr sichergestellt werden?
Im Rahmen vom Konzept Urban Service Design (2004) wurde der Einsatz mobiler Dienste vorgeschlagen als Mittel, um der Netzausdünnung der sozialen Infrastruktur entgegenzuarbeiten und somit auch für die weniger beweglichen Teile der Bevölkerung in schrumpfenden Regionen Lebensqualität zu gewährleisten. Auch hier bildet die Verknüpfung von mobilen und digitalen Diensten eine Chance innovative Lösungsansätze zu entwickeln.
Unter dem Begriff der Smart City eröffnen sich daher auch für stark schrumpfende Regionen neue Möglichkeiten der Raumplanung. Mobile, digitale Infrastruktur kann auch kleine Einheiten durch Mehrfachnutzung reaktivieren, um notwendige Dienstleistungen zu sichern. Auch relevante Themen der Nahversorgung und Energiegewinnung lassen sich somit leichter bewerkstelligen.
Konträr zu Vereinnahmungen des Begriffes Smart City durch die Technologiewirtschaft, kann Smart Citizen, als gemein¬sames Projekt aller Stadtakteure verstanden werden. Rückt man die Bedürfnisse der Bürger und die Stadt in ihren Bezie¬hungen als zirkuläres Ökosystem in den Fokus ergeben sich vielfältige Chancen für die Ränder der Zukunft.
Diese oben beschriebenen Projekte intensivieren die Kommunikationsprozesse, verdichten die urbanen Vernetzungen und stärken die Identitäten der Stadtlandschaft.
Idensity, ein operatives Instrument zur Entwicklung der Stadtlandschaft, verschmilzt Konzepte von Identität (identity) und Dichte von Vernetzungen (density of connections). Es integriert das Konzept der „Dichte“ (Dichte physischer und medialer Kommunikationsnetze und Infrastruktur, Dichte der Verbindungen, Dichte von Kommunikationsräumen) mit dem Konzept der Identität („Stadtimage“-Kampagnen, Branding etc.).
Idensity unterscheidet nicht zwischen medialen und der physischen und gebauten Umwelt und bietet somit ein integriertes Modell zum Umgang mit dem “hybriden” (medialen und physischen) Raum der Stadtlandschaft.
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