Die Architektin Elizabeth Sikiaridi, Professorin an der Universität Duisburg-Essen, befasst sich in Forschung und Lehre mit den Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologien auf das Wohnen und Arbeiten.
Im Gespräch nimmt sie Stellung zu Chancen und Risiken von Smart-Home-Anwendungen.
Veröffentlichung Smart Home @ Die Wohnungswirtschaft, Deutschland, 1 Oktober 2005
Smart
Home
Das Ziel:
Verbesserung
der
Lebensbedingungen
Elizabeth Sikiaridi:
Die Immobilie wird zur Schnittstelle, das Haus entwickelt sich zu einer „intelligenten“ Netzwerkumgebung.
Ähnlich dem Auto, dem connected car, das nicht nur ein Projekt von Microsoft, sondern längst schon Realität ist. Bei den heutigen Ambient Intelligence- und Domotica Anwendungen, dem so genannten „digital home“, „e-home“ oder „Smart Home“ geht es erst einmal vor allem um digitale Musik, Video- und Fernsehunterhaltung. Darüber hinaus werden zurzeit Hausprototypen vorgestellt, in denen Heizung, Kühlschrank und spezielle Kontrollmodule der Tele-Pflege und der Tele Medikation für Senioren sowie Pflegerobots kabellos mit dem Computer oder dem Personal Digital Assistant (PDA, Taschencomputer) kommunizieren können.
Elizabeth Sikiaridi:
Falls das vernetzte Haus vor allem für die Sicherheitstechnik und zur digitalen Musik, Video- und Fernsehunterhaltung genutzt wird, trägt es sicherlich nicht zur echten Verbesserung unserer Lebensbedingungen bei. Es sollte aber nicht so sein, dass eine Zukunft mit Dauerberieselung und Totalüberwachung die einzige Perspektive ist, die uns diese Technik eröffnet. Um eine tatsächliche Verbesserung und nicht nur Veränderung der Lebensbedingungen zu ermöglichen, sollten die Bedürfnisse der Wohnenden in der Zukunft als Ausgangspunkt bei der Entwicklung dieser Technik dienen.
Elizabeth Sikiaridi:
Den einen großen Trend gibt es nicht. Trotzdem kann man innerhalb der Vielfalt sehr unterschiedlicher Lebensstille einige Entwicklungen benennen, die von Bedeutung sind: Für viele Jüngere ist Flexibilisierung, die ein modernes Nomadentum von Arbeitnehmern schafft, eine Realität. Gleichzeitig altert und schrumpft die Gesamtbevölkerung.
Elizabeth Sikiaridi:
Es wäre wichtig, dass die Struktur und die Service-Pakete des Wohnungsmarktes das Nomadische der Gruppe von Jüngeren berücksichtigen. Dies könnte beispielsweise durch Umzugsservices, wohn-raumgebundene mediale Informations- und Kommunikationsräume und soziale Dienstleistungen bis zu Angeboten für Kurzzeit-WGs geschehen.
Auch die „neuen Alten“ werden nicht nur nach neuen Wohnmodellen oder barrierefreiem Wohnen fragen. Die werden eine ganze Reihe von Dienstleistungen benötigen, die analog und digital bereitgestellt werden können:
Pflege- und Betreuungsdienste sowie spezielle Kontrollmodule der Tele-Pflege und der Tele-Medikation, Wellness- und Freizeitangebote in der Nachbarschaft, Mobilitätsdienste wie Car-Sharing, Sicherheits- und Notrufdienste, Einkaufsdienste und Tele-Shopping, Service-Wohnen mit Reparaturservice und Reinigungshilfe. Eine andere Entwicklung ist, dass die Wohnung heute für viele Arbeitsplatz oder Teilarbeitsplatz ist. Dafür ist nicht nur ein Arbeitszimmer notwendig. Von Vorteil wären auch ein Besprechungsraum in der Nachbarschaft, der stundenweise zu mieten ist, sowie eine technische Infrastruktur, zum Beispiel für Videokonferenzen.
Elizabeth Sikiaridi:
Vieles regelt ganz einfach der Markt. Allerdings: In schrumpfenden Regionen haben wir es mit Altersarmut zu tun; und Arme sind keine Kaufgruppe. Hier sind öffentliche Akteure gefordert. In einem unserer Projekte haben wir Typologien für kombiniert mobil-mediale Dienste als Lösung für Infrastruktureinrichtungen in schrumpfenden Regionen entwickelt, die nicht ausgelastet sind und daher nicht mehr unterhalten werden können.
Konzepte für solche Dienste sind bei der regionalen Raumentwicklung schrumpfender Regionen, wo in Zukunft nicht flächendeckend gefördert, sondern auf Zentren Bildung gesetzt wird, von großer Relevanz. Solche Dienste könnten auch im kleinen Maßstab für einzelne Träger wie Wohnungsbaugesellschaften eine Qualitätssteigerung und somit Wettbewerbsvorteil in einem „Mietermarkt“ bedeuten.
Elizabeth Sikiaridi:
Da wäre sicherlich die Politik gefordert. Warum sollten nicht über das barrierefreie Bauen hinaus auch altersgerechte technische Infrastrukturen und Teledienste gefördert werden? Auch Wohnungsbaugesellschaften könnten sich dieser Aufgabe annehmen. Die Wohnungsbaugesellschaften, die aus dem sozialen Projekt der architektonischen Moderne des 20. Jahrhunderts stammen, waren eigentlich prädestiniert, an einer sozialen Konstruktion von Technik mitzuarbeiten. So würden die neuen technischen Möglichkeiten tatsächlich zur Verbesserung der Lebensbedingungen eingesetzt.
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