Soft Urbanism @ UniversitÀt Dortmund

Soft Urbanism steht fĂŒr ein interdisziplinĂ€res Arbeitsfeld, das die „soften“ Aspekte, die Kommunikationsaspekte, der Stadt untersucht und sich mit dem dynamischen Zusammenspiel von Stadtplanung und dem Raum der Massenmedien und Kommunikationsnetzen beschĂ€ftigt, beispielsweise mit den Informations- und Kommunikationsprozessen im öffentlichen Raum.

Veröffentlichung Soft Urbanism @ Stadperspektiven, UniversitÀt Dortmund, Deutschland, 1. September 2008

hybrider
Raum

Im Oktober 1999 ist ReBoot, ein als Medien-Labor ausgerĂŒstetes Schiff, von Köln aus nach Amsterdam gefahren. Eine Woche lang haben sich achtzig KĂŒnstler, Musiker, Architekten, Urbanisten, Medien-Kollektive auf dem Schiff mit dem Raum des Flusses entlang der Reiseroute beschĂ€ftigt. An den HĂ€fen, an denen das Schiff andockte, fanden Veranstaltungen wie Konzerte, FĂŒhrungen, VortrĂ€ge und Kunstprojekte statt, die das lokale Publikum und die lokalen Akteure einbezogen. Die Projekte wurden auf lokalen Fernsehsendern und im Internet gesendet. Gleichzeitig war das Schiff durch Internet-Verbindungen mit einer Anzahl von RĂ€umen, die entlang des Flusses lagen, wie etwa Clubs, verbunden. Es ergaben sich spannende Interaktionen zwischen physischem und digitalem Raum.

Entlang des Rheins, diesem archetypischen Symbol des Netzwerkes, in der „Heterotopia par excellence“ des Schiffes (Foucault, 1967), entstand im Projekt eine intensive, kreative AtmosphĂ€re des Austausches und der zum Teil telematischen Zusammenarbeit. Es entstand ein hybrider, translokaler Raum, der nicht an einem Ort zu lokalisieren war, sondern Ergebnis der Interaktion und Verbindung aller dieser physischen wie auch medialen RĂ€ume war. ReBoot war ein Transformator zur Generierung einer hybriden, kombiniert analog-digitalen, Stadtlandschaft. (vgl. Abb 1)

Der Begriff „hybrider“ Raum steht fĂŒr dieses Zusammenspiel von medialen und physischen RĂ€umen. Beispiele solcher hybrider RĂ€ume sind ĂŒberall in unserem Alltag zu finden, in den KommunikationsrĂ€umen der Mobiltelephonie, die private Inseln im öffentlichen Raum schafft, in dem stĂ€dtischen Raum, der mithilfe von Monitoren kontrolliert wird oder bei der Immobilie, die Ă€hnlich dem Auto (connected car), zur Schnittstelle zwischen realem Raum und virtuellen Netzen wird.

Der Stadtsoziologe Manuel Castels setzt diese medialen RĂ€ume, diese Informations-und Kommunikationsnetzwerke, die er als „space of flows“ („Raum der Ströme“) bezeichnet, dem „space of places“, dem lokale urbanen Ort, entgegen (Castels, 1996, 376-428). Interessanter aber als diese Unterscheidung und Polarisierung ist das Zusammenspiel von medialen und stĂ€dtischen InteraktionsrĂ€umen.

Krieg, Wirtschaft, Kultur und Politik bestimmen den Raum unserer physischen Existenz, finden aber zunehmend in medialen RĂ€umen, in Informations- und Kommunikationsnetzwerken statt. Medialisierung und somit auch Globalisierung haben gravierende Auswirkungen auf die zeitgenössischen urban-architektonischen Entwicklungen. Mithilfe einer ganzheitlichen Betrachtung – die des hybriden Raumes – ist es möglich, physische Objekte und urban-architektonische RĂ€ume im Kontext und im Zusammenspiel mit den medialen Netzwerken und Systemen zu entwickeln.

Innerhalb dieser neuen hybriden, kombiniert physischen und medialen, urbanen Landschaft, verlieren die traditionellen Begriffe rĂ€umlicher Unterscheidungsmerkmale ihre GĂŒltigkeit. Ein aufkommendes Arbeitsfeld, wofĂŒr der Begriff „Soft Urbanism“ steht und welches Architektur und Stadt mit den Informations- und Kommunikationsnetzwerken und medialen RĂ€umen ganzheitlich entwickelt, schlĂ€gt Kategorien und Werkzeuge zur Lenkung und Entwicklung dieser neuen Netzwerk-UrbanitĂ€t vor.

Soft
Urbanism

Im Rahmen der Aufgabe von Architektur, die RĂ€ume der gesellschaftlichen Interaktion zu definieren und zu materialisieren, wird das Entwerfen von Beziehungen und Schnittstellen zwischen dem physischen und dem medialen öffentlichen Raum zu einer immer grĂ¶ĂŸeren Herausforderung.

Soft Urbanism steht fĂŒr ein interdisziplinĂ€res Arbeitsfeld, das die „soften“ Aspekte, die Kommunikationsaspekte, der Stadt untersucht und sich mit dem dynamischen Zusammenspiel von Stadtplanung und dem Raum der Massenmedien und Kommunikationsnetzen beschĂ€ftigt, beispielsweise mit den Informations- und Kommunikationsprozessen im öffentlichen Raum.

Über die Planung von Schnittstellen hinaus verfolgt Soft Urbanism einen alternativen „weicheren“ Planungsansatz: Entscheidend wird dabei sein, dass Planer ihre Fixierung auf dauerhafte und materielle Objekte aufgeben, und die Bedeutung der Infrastruktur als grundlegende Voraussetzung fĂŒr stĂ€dtische Organisationsprozesse erkennen. Soft Urbanism interveniert auf der Ebene der Infrastruktur und lĂ€sst sich auch von dem Paradigma der Infrastruktur leiten. Durch die Bereitstellung von Netzwerken und Schnittstellen sollen neue Planungs- und Gestaltungsbereiche erschlossen werden und (politisch-planerische, soziale etc.) Selbstorganisationsprozesse angestoßen werden.

Ziel ist es, Rahmenwerke zu schaffen, die eine Vielzahl von Entwicklungen erlauben und fördern. Biologischen Modellen folgend, entfaltet Soft Urbanism den hybriden öffentlichen Raum als Feld des Zusammenspiels von pluralen KrĂ€ften. So werden neue Strategien entwickelt, die es ermöglichen die BeschĂ€ftigung mit einem erweiterten, d.h. zugleich urbanen und medialen, öffentlichen Raum in den Urbanismus einzufĂŒhren.

Bei den heutigen stĂ€dtischen Agglomerationen haben wir es mit einem polyzentrischen Modell zu tun, in dem sich verschiedene Kerne und Knoten in einem Netz herausgebildet haben. Ein solches VerstĂ€ndnis vom urbanen System als mehrdimensionales Netzwerk – und zwar mit physischen und medialen Verbindungen – hilft uns, um mit der KomplexitĂ€t der fragmentierten Stadtlandschaften umgehen zu können.

Bei dem Gebilde Stadtlandschaft, bezieht sich die KomplexitĂ€t nicht nur auf ihre Morphologien, auf die komplexen Muster des Figur-Grund Planes. Komplex sind auch die Transformationsprozesse dieser urbanen Strukturen, die berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen, um die urbane RealitĂ€t im Sinne einer qualitativen Entwicklung zu steuern.

Die Weiterentwicklung der KomplexitĂ€tstheorie, die „Network Science“ (Watts, 2003), die das Augenmerk auf die Netzwerke richtet, ermöglicht wie bei einem Röntgenblick, ein VerstĂ€ndnis der Entwicklung und Wirkung von komplexen Systemen in der realen Welt. Eine solche, sich auf das Netzwerk-Paradigma beziehende Betrachtung, könnte eine Hilfe sein, um die topologischen Beziehungen, die die Entwicklung des hochkomplexen Gebildes Stadtlandschaft vorantreiben, nachzuvollziehen, um dabei lenkend mit einzuwirken.

Soft Urbanism, als ganzheitliche Betrachtung von UrbanitĂ€t, ist fĂŒr die Stadt im Wandel sowohl im Schrumpfungszusammenhang als auch in Wachstumsregionen von Bedeutung.

Soft
Strategies

Ein halbes Jahrhundert Frieden in Westeuropa, die demographischen Entwicklungen sowie die beschleunigte Globalisierung der Bewegungen der Menschen und des Kapitals haben das Arbeitsfeld und die Aufgabenstellungen fĂŒr Architekten und Planer erweitert. Das SelbstverstĂ€ndnis von Deutschlands Architekten, das aus der Schnellbau-Wachstumsepoche der Nachkriegszeit stammt, wird zurzeit in Frage gestellt.

Heute, da die flĂ€chige Ausbreitung der Stadt nicht mehr im Vordergrund steht, hilft es, die ĂŒberholte Wachstums- und Baufixierung abzulegen und einen ganzheitlichen Blick zu entwickeln, der den gesamten Raum der Stadtlandschaft berĂŒcksichtigt, der nicht nur die bebauten, sondern auch die unbebauten FlĂ€chen, nicht nur die physisch-architektonischen, sondern auch die digital-medialen RĂ€ume in die Transformationsprozesse des StĂ€dtischen einbezieht.

In Zeiten der Krise der zentralistischen Planung gewinnen andere Prozesse der Stadtentwicklung an Relevanz. Diese Krise der Planung ist eine Krise der staatlichen Institutionen und wird durch die finanziellen NotstÀnde der Kommunen verstÀrkt und beschleunigt. Diese Krise ist aber zugleich eine Krise des Glaubens an die Machbarkeit der Welt und Beherrschung des Urbanen.

In dem durch diese Krise entstehenden Vakuum, wird das Aufkommen und die ErmĂ€chtigung (empowerment) einer Vielzahl von gesellschaftlichen Akteuren sichtbar. Diese eignen sich, in kommunikativen Prozessen, auch mit Hilfe von neuen Medien, klassische Aufgaben der staatlichen rĂ€umlichen Planung an. Somit weichen die linearen Prozesse einer zentralistischen Planung einem dezentralen, netzwerkartigen Steuern. Im AngelsĂ€chsischen wird diese Wende als der Übergang vom Government zu Governance bezeichnet.

In einer Zeit, in der eine auf Zuwachs angelegte Stadtentwicklung mangels Nachfrage ins Leere lĂ€uft gewinnen die Aufgaben der „Qualifizierung“, der QualitĂ€tssteigerung und der Aneignung unserer Umwelt an Bedeutung. Es geht heute immer weniger um das Bereitstellen von neuen Baulichkeiten und immer mehr um das Begleiten und Steuern der Wachstums-, Transformations- und Recyclingszyklen der Stadtlandschaft. In einer Zeit der Planungskrise werden alternative, „weiche“, flexible, prozessorientierte Strategien eines weichen Urbanismus (Soft Urbanism) gesucht.

Eine Reihe von Denkmodellen und Projektbeispielen soll die VerknĂŒpfung und Interaktion von physischem und virtuellem Raum verdeutlichen und Aspekte des Soft Urbanism und der Soft Strategies herausstellen.

Public
Media
Urban
Interfaces

Aspekte des „weichen“ Urbanismus (Soft Urbanism) haben wir im Projekt „Public Media Urban Interfaces“ formuliert (Sikiaridi/Vogelaar, 1997, 142-143). Dieses Projekt ist einfach und bleibt ĂŒbersichtlich, trotzdem bewegt es sich in einem komplexen thematischen Konnotationsraum. Es geht darum, die digitalen Netzwerke und den physischen Raum zusammen zu denken, als RĂ€ume der sozialen Interaktion. Das Projekt „Public Media Urban Interfaces“ schlĂ€gt vor, ein Netz von Schnittstellen zwischen dem urbanen und dem medialen Raum ĂŒber die Stadt zu legen. Diese Schnittstellen werden im öffentlichen Raum platziert und bieten jedem Zugang zum globalen medialen Netz. Anders als bei den heutigen Medien wie zum Beispiel das Fernsehen, wurde bei dem Projekt ein Netzwerk konzipiert, das eine „bottom-up“-Struktur hat, wo Prozesse von unten eine Chance haben, sich im medialen Raum zu behaupten.

Die im Projekt „Public Media Urban Interfaces“ entwickelten öffentlichen Schnittstellen zwischen urbanem und medialem Raum besetzen das Vakuum zwischen dem „Lokalen“ und dem „Globalen“. Diese Schnittstellen erweitern den öffentlichen Raum, indem sie lokale Ereignisse und Events beschleunigen und mit dem globalen Netz kollidieren (vgl. Abb 2).

Lokale (Nachbarschafts-) Einrichtungen in Form von kombiniert analog-digitalen Umgebungen (environments) machen es möglich, an einem öffentlichen stĂ€dtischen Ort interaktiv „messages“ zu produzieren und nach einem dynamischen Redaktions- und Sendesystem zu verbreiten. (vgl. Abb 3).

Ein Protokoll der rĂ€umlich abgestuften Verbreitung der „messages“, ermöglicht durch eine „Sendezeit-Kreditkarte“ („Air TimeSpace for All Smart Card“), unterstĂŒtzt die öffentliche dynamische Struktur des Netzwerks und stattet das Kommunikationssystem mit einer selbstorganisierten Heterarchie aus: Jeder könnte hier kurze Fernsehspots produzieren und sich so telematisch artikulieren. Die Sendungen wĂŒrden zunĂ€chst nur im lokalen Einzugsgebiet des Studios, also in einer Nachbarschaft, verbreitet werden. Diese „Sendezeit“ könnte aber auch, wenn kein Wunsch auf eigene Produktion besteht, dazu benutzt werden eine fremde „Botschaft“ zu verstĂ€rken und ihr somit grĂ¶ĂŸeren (Sende-) Raum zu geben. Lokale Sendungen könnten dadurch gestĂ€rkt werden und dann, ĂŒber das lokale Einzugsgebiet hinaus, zeitweise mehr oder weniger in den globalen Medienraum vordringen: sie könnten in mehreren Stadtteilen oder Regionen, auf nationaler oder internationaler Ebene empfangen werden.

Kleine Studios, die wie Boxen oder Passbildautomaten in U-Bahnstationen, neben Waschsalons, Tankstellen oder auch in StadtteillĂ€den eingerichtet und aufgestellt werden, fungieren als rĂ€umliche Schnittstellen auf lokaler Nachbarschaftsbasis. Als weiteres rĂ€umliches Angebot sind die „Bridge Clubs“ als grĂ¶ĂŸere MassenveranstaltungsrĂ€ume von gesamtstĂ€dtischer Bedeutung. Sie dienen nicht nur dem Sendebetrieb, sondern kombinieren das Erleben, Selektieren und Senden der Spots mit weiteren Nutzungen wie Kongresse, Veranstaltungen, Spiele, Mediatheken, Ausstellungen etc..

Anhand von London wurde dieses Modell einmal durchgespielt: Das Ergebnis waren 128 gleichmĂ€ĂŸig auf die Innenstadt von London verteilte lokale Terminals, die mit acht grĂ¶ĂŸeren öffentlichen Sendestationen, die direkt an der Themse liegen, verbunden sind: Die grĂ¶ĂŸeren Sendestationen an der Themse („Bridge Clubs“) wĂŒrden zugleich BrĂŒcken zwischen dem reichen Norden und dem verarmten SĂŒd-London bilden (vgl. Abb 4).

Spannend an diesen Studios und Clubs ist, dass sie Zwitter sind, d.h. ambivalente RĂ€ume, die zugleich analog und digital, virtuell und materiell, haptisch und abstrakt, global und lokal sind und einen spielerischen Rahmen fĂŒr die Selbstorganisation von Öffentlichkeit bieten. Diese hybriden KommunikationsrĂ€ume bilden Knotenpunkte im Netzwerk einer hybriden (stĂ€dtischen und medialen) Infrastruktur.

Urban
Service
Design

Medialisierung modifiziert die Raum-Hierarchien und verĂ€ndert die QualitĂ€ten der gebauten Umwelt. Die Telearbeit, zum Beispiel, sei es nur an einigen Tagen der Woche, hat Konsequenzen nicht nur fĂŒr das Raumangebot, sondern auch fĂŒr die Struktur, die QualitĂ€ten und die Standortwahl von BĂŒrogebĂ€uden, die jetzt immer stĂ€rker Raum fĂŒr die kommunikativen Elemente des Arbeitsalltags bieten sollen. Gleichzeitig verringert Medialisierung auch den Bedarf an gebautem Raum. Trotzdem wird im Umgang mit den Problemen der Stadtschrumpfung der Ausbau von medialen RĂ€umen fĂŒr die Übernahme von Funktionen aus dem physisch-urbanen Raum vorgeschlagen: „Schrumpfen kann man lernen – zum Beispiel durch Reisen nach Skandinavien.“ schreibt Elisabeth Niejahr in der „ZEIT“ und fĂ€hrt fort: „Der brandenburgische MinisterprĂ€sident Matthias Platzcek besuchte im Mai 2004 das dĂŒnn besiedelte Finnland, wo schon heute Jugendliche aus entlegenen Dörfern per Videounterricht mit ihren Lehrern kommunizieren und KrankenhĂ€user auf dem Land sich bei schwierigen Eingriffen per Video von Experten in Helsinki helfen lassen.“ (Niejahr, 2004).

Mediale Dienste werden als Lösung fĂŒr Infrastruktureinrichtungen gesehen, die nicht ausgelastet sind und daher nicht mehr unterhalten werden können. Der Einsatz mobiler Dienste gilt als Mittel, um der NetzausdĂŒnnung der sozialen Infrastruktur entgegenzuarbeiten und somit auch fĂŒr die immobileren Teile der Bevölkerung, Senioren und Ă€rmere Menschen, in schrumpfenden Regionen LebensqualitĂ€t zu gewĂ€hrleisten. In dem soeben zitierten Artikel wird der FilmvorfĂŒhrer, der ĂŒber die Dörfer zieht, und der Rufbus, der die einzelnen FahrgĂ€ste an den Ort ihrer Wahl bringt, erwĂ€hnt. Solche Modelle kombinierter mobiler und medialer Dienstleistungen werden in mehreren Regionen im Westen und Osten der Republik getestet.

Das Projekt „Urbanes Service Design„ (vgl. Abb 5) beschĂ€ftigt sich mit dieser Problematik und entwickelt Typologien von Dienstleistungen und Konzepte fĂŒr urbane Knotenpunkte und fĂŒr physische, mediale und mobile Netzwerke, die sie andienen (Sikiaridi/Vogelaar, 2005, S. 18-19).

Rooting
Routes

In der hollĂ€ndischen Randstad wĂ€chst der Global Player Flughafen ohne Bezug zu seiner direkten suburbanen Umgebung, ja sogar im Konflikt dazu. Die LokalitĂ€ten um den Flughafen Schiphol tragen die Lasten, profitieren aber nicht von der „globalen Kondition“ ihres Nachbarns.

Das Projekt „Rooting Routes: weaving Schiphol-airport within its local fabric by the means of transit tourism“ (vgl. Abb 6) benutzt das Potential des Transit-Tourismus, um den Flughafen mit seiner Umgebung zu verzahnen. FĂŒr die Transit-Passagiere und die GeschĂ€ftsreisenden, die kurz zu ein paar Meetings im Flughafen eintreffen, wird eine Reihe von kurzen Routen in der Umgebung vorgeschlagen. Diese thematischen Routen, die von historisch-didaktischen ĂŒber Natur-Routen bis zu Shopping Safaris reichen und auch sportliche AktivitĂ€ten beinhalten, sind auch mit Minibussen, Wasser-Taxis oder FahrrĂ€dern zu bewĂ€ltigen. Diese Routen-Programme können kommuniziert, gefĂŒhrt und gelenkt werden mithilfe von Mobiltelefonen und anderen tragbaren Apparaten.

Der „Nicht-Ort“ Flughafen wĂŒrde somit durch die lokalen QualitĂ€ten seiner Umgebung an IdentitĂ€t gewinnen. Die umgebenden Stadtteile und grĂŒnen RĂ€ume wĂŒrden von der ökonomischen Ausstrahlung des Flughafens profitieren. Diese Verzahnung des Transit-Raums stĂ€rkt die Funktion des Flughafens als Schnittstelle zwischen dem globalen und dem lokalen Raum.

Neighbors
Network
City

FĂŒr die Netzwerk-Stadt Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas 2010 wurde in 2004 das Projekt “Neighbours Network City (NNC)“ vorgeschlagen. Das Projekt NNC aktiviert sowohl den urbanen als auch den medialen öffentlichen Raum. Es entwickelt Szenarien fĂŒr das Zusammenspiel von urbanem Raum und Massenmedien, um den öffentlichen Raum der – sich zunehmend im Segregationsprozess befindlichen – Stadtlandschaft des Ruhrgebiets zu stĂ€rken. Das NNC-Projekt (als Inversion von CNN) soll aus der PluralitĂ€t der lokalen KrĂ€fte das urbane Netzwerk als „offenes Gesamtkunstwerk“ entfalten.

NNC als offenes Projekt soll sich im Zuge von aufeinander aufbauenden und miteinander verwobenen (Teil-)Projekten entwickeln. Das (Teil-)Projekt „wir essen fĂŒr das Ruhrgebiet“ (vgl. Abb 7) greift das Motto der Kulturhauptstadt („Essen fĂŒr das Ruhrgebiet“) auf und schlĂ€gt ein ruhrgebietsweites Essen fĂŒr das Ruhrgebiet vor.

Wir
essen fĂŒr das
Ruhrgebiet

Am lĂ€ngsten Tag des Jahres sollen dezentral in den Stadtteilen Abendessen von den Bewohnern und fĂŒr die Bewohner veranstaltet werden. Auch jeder Fremde, ob Wanderer, Tourist, Stadtstreicher, Pendler oder GeschĂ€ftsreisender, ist herzlich eingeladen und isst mit.

Die Tische werden an den unbenutzten FlĂ€chen und Brachen gedeckt. Damit werden diese Grenzen der stĂ€dtischen Systeme zu kommunikativen SĂ€umen umgedeutet. Die Musik- und Theaterensembles der Region ziehen an diesem Abend an der temporĂ€ren Route der Esskultur entlang und sorgen an den Festtafeln fĂŒr kleine Intermezzi. Im gleichen Moment hallt durch die ganze Region, in verschiedenen Akzenten ausgesprochen, der Trinkspruch: „wir essen fĂŒr das Ruhrgebiet“!

Das Projekt interveniert auf der Ebene der Wahrnehmung und der Kommunikationsprozesse der UrbanitÀt; diese will es verÀndern und intensivieren. RÀume sollen umgewertet werden; neue Kontakte, neue Beziehungen entwickelt und neue positive Zeichen gesetzt werden.

Das zweite Essen fĂŒr das Ruhrgebiet findet an einer langen Tafel auf der A40/B1 statt!

SubCity

Wie keine andere Stadtlandschaft ist das Ruhrgebiet durch seinen Untergrund, seine sub_Stadt, bestimmt. Bei dieser durch den Bergbau erst aufgeblĂŒhten Region war der Verlauf der Flöze ausschlaggebend. Ihrem Verlauf folgten, als oberirdische Erscheinungen und Entsprechungen, Industrieansiedlung und somit auch Urbanisierung.

Wie keine andere Stadtlandschaft ist sich das Ruhrgebiet dieses „Ur-Gebietes“  als Grundlage und Motor seiner Entwicklung bewusst. Traumata und Geschichte(n) haben sich den GrĂ€ben eingeprĂ€gt; das Grundwasser ist immer noch da. Somit wird dieser StadtGrund in seiner Doppelbödigkeit oft negativ assoziiert.

Dieses gemeinschaftliche urbane Substrat gilt es zusammen umzudeuten und zu bespielen.

„SubCity“, ein „big urban computer game“ im regionalen Maßstab, das wir als Teil des NNC-Projektes vorschlagen, beschĂ€ftigt sich mit dem UnterGrund des Ruhrgebiets und bevölkert ihn mit den TrĂ€umen und WĂŒnschen, aus denen die Region schöpft (vgl. Abb 8). Die Spieler, die Bewohner und die Besucher der Kulturhauptstadt, simulieren den UnterGrund der Stadt: sie können unterirdische Stadtlandschaften entwickeln und sie mit ihren Avatars und TrĂ€umen bespielen.

Man kann gemeinsam, aber auch dezentral, mithilfe von tragbaren Apparaten wie Mobiltelefonen, die „SubCity“, den UnterGrund der Stadt, mit seinen TrĂ€umen und Phantasien bevölkern. Am Wahrzeichen des Ruhrgebiets, am Weltkulturerbe der Zeche Zollverein, bei der einzigen noch offenen Verbindung zwischen der geschĂ€ftigen Stadt und ihrem UnterGrund wird der Spielraum „SubCity“ als interaktive rĂ€umliche Simulation fĂŒr Spieler und Besucher betretbar. Der Spielraum der „SubCity“-Ausstellung ermöglicht die Kommunikation mit dem UnterGrund der WĂŒnsche und TrĂ€ume, aus denen die Stadt weiterhin schöpft und wĂ€chst.

IdensityÂź

In der widersprĂŒchlichen Dynamik unserer heutigen stĂ€dtischen Umwelt mit ihren gegensĂ€tzlichen Tendenzen zur Konzentration wie zur Dezentralisation, zur funktionalen Vermischung wie zur Segregation, verlieren die traditionellen Begriffe rĂ€umlicher Unterscheidungsmerkmale  ihre GĂŒltigkeit. Um die Verschmelzung, die Überlagerung und Interaktion von medialem und “realem” stĂ€dtischem Raum zu erfassen und zu lenken, werden neue konzeptionelle Instrumente gesucht. “Idensity¼” ist ein Vorschlag zu einem konzeptionellen Werkzeug zur Erforschung und Entwicklung  des Raumes im Informations-/Kommunikationszeitalter.

Diese oben in diesem Artikel beschriebenen Projekte greifen auf die Ebene der Kommunikation ein. Sie stĂ€rken die IdentitĂ€ten der Stadtlandschaft und intensivieren die Kommunikationsprozesse  der UrbanitĂ€t, verdichten die urbanen Vernetzungen. „IdensityÂź“, als ein konzeptionelles Instrument zur Entwicklung der Stadtlandschaft, verschmilzt diese Konzepte von IdentitĂ€t (identity) und Dichte von Vernetzungen (density of connections). Es integriert das Konzept der „Dichte“ (Dichte physischer und medialer Kommunikationsnetze und Infrastruktur, Dichte der Verbindungen, Dichte von KommunikationsrĂ€umen) mit dem Konzept der IdentitĂ€t („Stadtimage“-Kampagnen, Branding etc.). Es integriert die wichtigsten Aufgaben im Rahmen der Entwicklung Stadtlandschaft: die StĂ€rkung der (Teil-) IdentitĂ€ten der stĂ€dtischen Fragmente und die ‚Verbindung der stĂ€dtischen Systeme’ (Sieverts, 2003, 49-51).

Als operatives Instrument kann „IdensityÂź“ angewendet werden, um Stadtentwicklungsprozesse zu steuern. Daher kann es zum Beispiel zum VerstĂ€ndnis von Prozessen der Trennung und der rĂ€umlichen Segregation zwischen stĂ€dtischen Teilbereichen beitragen, die Eigenschaften von ‚globaler‘ QualitĂ€t besitzen und die als Bestandteil eines Netzwerkes ‚globaler‘ UrbanitĂ€t betrachtet werden können, sowie anderen, manchmal in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden (Teilen von) StĂ€dten, die an Bedeutung verlieren und von den (globalen) mentalen Karten verschwinden.

Dieses neue Konzept wird eingefĂŒhrt, um die Überlagerung und Interaktion von medialem und “realem” stĂ€dtischem Raum zu verstehen und zu lenken. “Idensity¼” unterscheidet nicht zwischen Informations-/Kommunikationsnetzwerken und der stĂ€dtischen gebauten Umwelt und bietet ein integriertes Modell zum Umgang mit dem hybriden (medialen und “realen”) Raum im Informations-/Kommunikationszeitalter. Es bietet somit ein Werkzeug zur Orientierung innerhalb der sich neu aufmachenden Perspektiven von Stadt.

Bibliography

Castells, Manuel: The Rise of the Network Society, Massachusetts/Oxford, 1996 (im Deutschen: Castells, Manuel: der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Opladen, 2001)

Foucault, Michel: Des espaces autres (confĂ©rence au Cercle d’Ă©tudes architecturales, 14 mars 1967). Als Dits et Ă©crits 1984 in Architecture, Mouvement, ContinuitĂ©, n°5, Oktober 1984, S. 46-49.

Niejahr, Elisabeth: Mehr Wohlstand fĂŒr alle – Die Deutschen werden weniger. Dies ist kein Grund zur Panik, sondern auch eine Chance. In „DIE ZEIT“, Nr. 43, 14.10.2004.

Sieverts, Thomas: Die Grenzen der Systeme. In „Deutsche Bauzeitung“ (db), 07/2003, Juli 2003.

Sikiaridi, Elizabeth und Vogelaar, Frans, Frans: Öffentliche Schnittstellen zwischen urbanem und medialem Raum. In „Mensch Masse Medien: Interaktion oder Manipulation“, Dokumentation des Internationalen Forums fĂŒr Gestaltung Ulm 1996, Frankfurt a.M., 1997.

Sikiaridi, Elizabeth und Vogelaar, Frans: Architektur der Sukzession. Prozesse Entwerfen – Systeme Entwickeln. In „Deutsche Bauzeitung“ (db), 01/200, January 2005.

Watts, Duncan J.: Six Degrees, The Science of a Connected Age, London, 2003.

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