Soft Urbanism @ Universität Dortmund

Soft Urbanism steht für ein interdisziplinäres Arbeitsfeld, das die „soften“ Aspekte, die Kommunikationsaspekte, der Stadt untersucht und sich mit dem dynamischen Zusammenspiel von Stadtplanung und dem Raum der Massenmedien und Kommunikationsnetzen beschäftigt, beispielsweise mit den Informations- und Kommunikationsprozessen im öffentlichen Raum.

Veröffentlichung Soft Urbanism @ Stadperspektiven, Universität Dortmund, Deutschland, 1. September 2008

hybrider
Raum

Im Oktober 1999 ist ReBoot, ein als Medien-Labor ausgerüstetes Schiff, von Köln aus nach Amsterdam gefahren. Eine Woche lang haben sich achtzig Künstler, Musiker, Architekten, Urbanisten, Medien-Kollektive auf dem Schiff mit dem Raum des Flusses entlang der Reiseroute beschäftigt. An den Häfen, an denen das Schiff andockte, fanden Veranstaltungen wie Konzerte, Führungen, Vorträge und Kunstprojekte statt, die das lokale Publikum und die lokalen Akteure einbezogen. Die Projekte wurden auf lokalen Fernsehsendern und im Internet gesendet. Gleichzeitig war das Schiff durch Internet-Verbindungen mit einer Anzahl von Räumen, die entlang des Flusses lagen, wie etwa Clubs, verbunden. Es ergaben sich spannende Interaktionen zwischen physischem und digitalem Raum.

Entlang des Rheins, diesem archetypischen Symbol des Netzwerkes, in der „Heterotopia par excellence“ des Schiffes (Foucault, 1967), entstand im Projekt eine intensive, kreative Atmosphäre des Austausches und der zum Teil telematischen Zusammenarbeit. Es entstand ein hybrider, translokaler Raum, der nicht an einem Ort zu lokalisieren war, sondern Ergebnis der Interaktion und Verbindung aller dieser physischen wie auch medialen Räume war. ReBoot war ein Transformator zur Generierung einer hybriden, kombiniert analog-digitalen, Stadtlandschaft. (vgl. Abb 1)

Der Begriff „hybrider“ Raum steht für dieses Zusammenspiel von medialen und physischen Räumen. Beispiele solcher hybrider Räume sind überall in unserem Alltag zu finden, in den Kommunikationsräumen der Mobiltelephonie, die private Inseln im öffentlichen Raum schafft, in dem städtischen Raum, der mithilfe von Monitoren kontrolliert wird oder bei der Immobilie, die ähnlich dem Auto (connected car), zur Schnittstelle zwischen realem Raum und virtuellen Netzen wird.

Der Stadtsoziologe Manuel Castels setzt diese medialen Räume, diese Informations-und Kommunikationsnetzwerke, die er als „space of flows“ („Raum der Ströme“) bezeichnet, dem „space of places“, dem lokale urbanen Ort, entgegen (Castels, 1996, 376-428). Interessanter aber als diese Unterscheidung und Polarisierung ist das Zusammenspiel von medialen und städtischen Interaktionsräumen.

Krieg, Wirtschaft, Kultur und Politik bestimmen den Raum unserer physischen Existenz, finden aber zunehmend in medialen Räumen, in Informations- und Kommunikationsnetzwerken statt. Medialisierung und somit auch Globalisierung haben gravierende Auswirkungen auf die zeitgenössischen urban-architektonischen Entwicklungen. Mithilfe einer ganzheitlichen Betrachtung – die des hybriden Raumes – ist es möglich, physische Objekte und urban-architektonische Räume im Kontext und im Zusammenspiel mit den medialen Netzwerken und Systemen zu entwickeln.

Innerhalb dieser neuen hybriden, kombiniert physischen und medialen, urbanen Landschaft, verlieren die traditionellen Begriffe räumlicher Unterscheidungsmerkmale ihre Gültigkeit. Ein aufkommendes Arbeitsfeld, wofür der Begriff „Soft Urbanism“ steht und welches Architektur und Stadt mit den Informations- und Kommunikationsnetzwerken und medialen Räumen ganzheitlich entwickelt, schlägt Kategorien und Werkzeuge zur Lenkung und Entwicklung dieser neuen Netzwerk-Urbanität vor.

Soft
Urbanism

Im Rahmen der Aufgabe von Architektur, die Räume der gesellschaftlichen Interaktion zu definieren und zu materialisieren, wird das Entwerfen von Beziehungen und Schnittstellen zwischen dem physischen und dem medialen öffentlichen Raum zu einer immer größeren Herausforderung.

Soft Urbanism steht für ein interdisziplinäres Arbeitsfeld, das die „soften“ Aspekte, die Kommunikationsaspekte, der Stadt untersucht und sich mit dem dynamischen Zusammenspiel von Stadtplanung und dem Raum der Massenmedien und Kommunikationsnetzen beschäftigt, beispielsweise mit den Informations- und Kommunikationsprozessen im öffentlichen Raum.

Über die Planung von Schnittstellen hinaus verfolgt Soft Urbanism einen alternativen „weicheren“ Planungsansatz: Entscheidend wird dabei sein, dass Planer ihre Fixierung auf dauerhafte und materielle Objekte aufgeben, und die Bedeutung der Infrastruktur als grundlegende Voraussetzung für städtische Organisationsprozesse erkennen. Soft Urbanism interveniert auf der Ebene der Infrastruktur und lässt sich auch von dem Paradigma der Infrastruktur leiten. Durch die Bereitstellung von Netzwerken und Schnittstellen sollen neue Planungs- und Gestaltungsbereiche erschlossen werden und (politisch-planerische, soziale etc.) Selbstorganisationsprozesse angestoßen werden.

Ziel ist es, Rahmenwerke zu schaffen, die eine Vielzahl von Entwicklungen erlauben und fördern. Biologischen Modellen folgend, entfaltet Soft Urbanism den hybriden öffentlichen Raum als Feld des Zusammenspiels von pluralen Kräften. So werden neue Strategien entwickelt, die es ermöglichen die Beschäftigung mit einem erweiterten, d.h. zugleich urbanen und medialen, öffentlichen Raum in den Urbanismus einzuführen.

Bei den heutigen städtischen Agglomerationen haben wir es mit einem polyzentrischen Modell zu tun, in dem sich verschiedene Kerne und Knoten in einem Netz herausgebildet haben. Ein solches Verständnis vom urbanen System als mehrdimensionales Netzwerk – und zwar mit physischen und medialen Verbindungen – hilft uns, um mit der Komplexität der fragmentierten Stadtlandschaften umgehen zu können.

Bei dem Gebilde Stadtlandschaft, bezieht sich die Komplexität nicht nur auf ihre Morphologien, auf die komplexen Muster des Figur-Grund Planes. Komplex sind auch die Transformationsprozesse dieser urbanen Strukturen, die berücksichtigt werden müssen, um die urbane Realität im Sinne einer qualitativen Entwicklung zu steuern.

Die Weiterentwicklung der Komplexitätstheorie, die „Network Science“ (Watts, 2003), die das Augenmerk auf die Netzwerke richtet, ermöglicht wie bei einem Röntgenblick, ein Verständnis der Entwicklung und Wirkung von komplexen Systemen in der realen Welt. Eine solche, sich auf das Netzwerk-Paradigma beziehende Betrachtung, könnte eine Hilfe sein, um die topologischen Beziehungen, die die Entwicklung des hochkomplexen Gebildes Stadtlandschaft vorantreiben, nachzuvollziehen, um dabei lenkend mit einzuwirken.

Soft Urbanism, als ganzheitliche Betrachtung von Urbanität, ist für die Stadt im Wandel sowohl im Schrumpfungszusammenhang als auch in Wachstumsregionen von Bedeutung.

Soft
Strategies

Ein halbes Jahrhundert Frieden in Westeuropa, die demographischen Entwicklungen sowie die beschleunigte Globalisierung der Bewegungen der Menschen und des Kapitals haben das Arbeitsfeld und die Aufgabenstellungen für Architekten und Planer erweitert. Das Selbstverständnis von Deutschlands Architekten, das aus der Schnellbau-Wachstumsepoche der Nachkriegszeit stammt, wird zurzeit in Frage gestellt.

Heute, da die flächige Ausbreitung der Stadt nicht mehr im Vordergrund steht, hilft es, die überholte Wachstums- und Baufixierung abzulegen und einen ganzheitlichen Blick zu entwickeln, der den gesamten Raum der Stadtlandschaft berücksichtigt, der nicht nur die bebauten, sondern auch die unbebauten Flächen, nicht nur die physisch-architektonischen, sondern auch die digital-medialen Räume in die Transformationsprozesse des Städtischen einbezieht.

In Zeiten der Krise der zentralistischen Planung gewinnen andere Prozesse der Stadtentwicklung an Relevanz. Diese Krise der Planung ist eine Krise der staatlichen Institutionen und wird durch die finanziellen Notstände der Kommunen verstärkt und beschleunigt. Diese Krise ist aber zugleich eine Krise des Glaubens an die Machbarkeit der Welt und Beherrschung des Urbanen.

In dem durch diese Krise entstehenden Vakuum, wird das Aufkommen und die Ermächtigung (empowerment) einer Vielzahl von gesellschaftlichen Akteuren sichtbar. Diese eignen sich, in kommunikativen Prozessen, auch mit Hilfe von neuen Medien, klassische Aufgaben der staatlichen räumlichen Planung an. Somit weichen die linearen Prozesse einer zentralistischen Planung einem dezentralen, netzwerkartigen Steuern. Im Angelsächsischen wird diese Wende als der Übergang vom Government zu Governance bezeichnet.

In einer Zeit, in der eine auf Zuwachs angelegte Stadtentwicklung mangels Nachfrage ins Leere läuft gewinnen die Aufgaben der „Qualifizierung“, der Qualitätssteigerung und der Aneignung unserer Umwelt an Bedeutung. Es geht heute immer weniger um das Bereitstellen von neuen Baulichkeiten und immer mehr um das Begleiten und Steuern der Wachstums-, Transformations- und Recyclingszyklen der Stadtlandschaft. In einer Zeit der Planungskrise werden alternative, „weiche“, flexible, prozessorientierte Strategien eines weichen Urbanismus (Soft Urbanism) gesucht.

Eine Reihe von Denkmodellen und Projektbeispielen soll die Verknüpfung und Interaktion von physischem und virtuellem Raum verdeutlichen und Aspekte des Soft Urbanism und der Soft Strategies herausstellen.

Public
Media
Urban
Interfaces

Aspekte des „weichen“ Urbanismus (Soft Urbanism) haben wir im Projekt „Public Media Urban Interfaces“ formuliert (Sikiaridi/Vogelaar, 1997, 142-143). Dieses Projekt ist einfach und bleibt übersichtlich, trotzdem bewegt es sich in einem komplexen thematischen Konnotationsraum. Es geht darum, die digitalen Netzwerke und den physischen Raum zusammen zu denken, als Räume der sozialen Interaktion. Das Projekt „Public Media Urban Interfaces“ schlägt vor, ein Netz von Schnittstellen zwischen dem urbanen und dem medialen Raum über die Stadt zu legen. Diese Schnittstellen werden im öffentlichen Raum platziert und bieten jedem Zugang zum globalen medialen Netz. Anders als bei den heutigen Medien wie zum Beispiel das Fernsehen, wurde bei dem Projekt ein Netzwerk konzipiert, das eine „bottom-up“-Struktur hat, wo Prozesse von unten eine Chance haben, sich im medialen Raum zu behaupten.

Die im Projekt „Public Media Urban Interfaces“ entwickelten öffentlichen Schnittstellen zwischen urbanem und medialem Raum besetzen das Vakuum zwischen dem „Lokalen“ und dem „Globalen“. Diese Schnittstellen erweitern den öffentlichen Raum, indem sie lokale Ereignisse und Events beschleunigen und mit dem globalen Netz kollidieren (vgl. Abb 2).

Lokale (Nachbarschafts-) Einrichtungen in Form von kombiniert analog-digitalen Umgebungen (environments) machen es möglich, an einem öffentlichen städtischen Ort interaktiv „messages“ zu produzieren und nach einem dynamischen Redaktions- und Sendesystem zu verbreiten. (vgl. Abb 3).

Ein Protokoll der räumlich abgestuften Verbreitung der „messages“, ermöglicht durch eine „Sendezeit-Kreditkarte“ („Air TimeSpace for All Smart Card“), unterstützt die öffentliche dynamische Struktur des Netzwerks und stattet das Kommunikationssystem mit einer selbstorganisierten Heterarchie aus: Jeder könnte hier kurze Fernsehspots produzieren und sich so telematisch artikulieren. Die Sendungen würden zunächst nur im lokalen Einzugsgebiet des Studios, also in einer Nachbarschaft, verbreitet werden. Diese „Sendezeit“ könnte aber auch, wenn kein Wunsch auf eigene Produktion besteht, dazu benutzt werden eine fremde „Botschaft“ zu verstärken und ihr somit größeren (Sende-) Raum zu geben. Lokale Sendungen könnten dadurch gestärkt werden und dann, über das lokale Einzugsgebiet hinaus, zeitweise mehr oder weniger in den globalen Medienraum vordringen: sie könnten in mehreren Stadtteilen oder Regionen, auf nationaler oder internationaler Ebene empfangen werden.

Kleine Studios, die wie Boxen oder Passbildautomaten in U-Bahnstationen, neben Waschsalons, Tankstellen oder auch in Stadtteilläden eingerichtet und aufgestellt werden, fungieren als räumliche Schnittstellen auf lokaler Nachbarschaftsbasis. Als weiteres räumliches Angebot sind die „Bridge Clubs“ als größere Massenveranstaltungsräume von gesamtstädtischer Bedeutung. Sie dienen nicht nur dem Sendebetrieb, sondern kombinieren das Erleben, Selektieren und Senden der Spots mit weiteren Nutzungen wie Kongresse, Veranstaltungen, Spiele, Mediatheken, Ausstellungen etc..

Anhand von London wurde dieses Modell einmal durchgespielt: Das Ergebnis waren 128 gleichmäßig auf die Innenstadt von London verteilte lokale Terminals, die mit acht größeren öffentlichen Sendestationen, die direkt an der Themse liegen, verbunden sind: Die größeren Sendestationen an der Themse („Bridge Clubs“) würden zugleich Brücken zwischen dem reichen Norden und dem verarmten Süd-London bilden (vgl. Abb 4).

Spannend an diesen Studios und Clubs ist, dass sie Zwitter sind, d.h. ambivalente Räume, die zugleich analog und digital, virtuell und materiell, haptisch und abstrakt, global und lokal sind und einen spielerischen Rahmen für die Selbstorganisation von Öffentlichkeit bieten. Diese hybriden Kommunikationsräume bilden Knotenpunkte im Netzwerk einer hybriden (städtischen und medialen) Infrastruktur.

Urban
Service
Design

Medialisierung modifiziert die Raum-Hierarchien und verändert die Qualitäten der gebauten Umwelt. Die Telearbeit, zum Beispiel, sei es nur an einigen Tagen der Woche, hat Konsequenzen nicht nur für das Raumangebot, sondern auch für die Struktur, die Qualitäten und die Standortwahl von Bürogebäuden, die jetzt immer stärker Raum für die kommunikativen Elemente des Arbeitsalltags bieten sollen. Gleichzeitig verringert Medialisierung auch den Bedarf an gebautem Raum. Trotzdem wird im Umgang mit den Problemen der Stadtschrumpfung der Ausbau von medialen Räumen für die Übernahme von Funktionen aus dem physisch-urbanen Raum vorgeschlagen: „Schrumpfen kann man lernen – zum Beispiel durch Reisen nach Skandinavien.“ schreibt Elisabeth Niejahr in der „ZEIT“ und fährt fort: „Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzcek besuchte im Mai 2004 das dünn besiedelte Finnland, wo schon heute Jugendliche aus entlegenen Dörfern per Videounterricht mit ihren Lehrern kommunizieren und Krankenhäuser auf dem Land sich bei schwierigen Eingriffen per Video von Experten in Helsinki helfen lassen.“ (Niejahr, 2004).

Mediale Dienste werden als Lösung für Infrastruktureinrichtungen gesehen, die nicht ausgelastet sind und daher nicht mehr unterhalten werden können. Der Einsatz mobiler Dienste gilt als Mittel, um der Netzausdünnung der sozialen Infrastruktur entgegenzuarbeiten und somit auch für die immobileren Teile der Bevölkerung, Senioren und ärmere Menschen, in schrumpfenden Regionen Lebensqualität zu gewährleisten. In dem soeben zitierten Artikel wird der Filmvorführer, der über die Dörfer zieht, und der Rufbus, der die einzelnen Fahrgäste an den Ort ihrer Wahl bringt, erwähnt. Solche Modelle kombinierter mobiler und medialer Dienstleistungen werden in mehreren Regionen im Westen und Osten der Republik getestet.

Das Projekt „Urbanes Service Design„ (vgl. Abb 5) beschäftigt sich mit dieser Problematik und entwickelt Typologien von Dienstleistungen und Konzepte für urbane Knotenpunkte und für physische, mediale und mobile Netzwerke, die sie andienen (Sikiaridi/Vogelaar, 2005, S. 18-19).

Rooting
Routes

In der holländischen Randstad wächst der Global Player Flughafen ohne Bezug zu seiner direkten suburbanen Umgebung, ja sogar im Konflikt dazu. Die Lokalitäten um den Flughafen Schiphol tragen die Lasten, profitieren aber nicht von der „globalen Kondition“ ihres Nachbarns.

Das Projekt „Rooting Routes: weaving Schiphol-airport within its local fabric by the means of transit tourism“ (vgl. Abb 6) benutzt das Potential des Transit-Tourismus, um den Flughafen mit seiner Umgebung zu verzahnen. Für die Transit-Passagiere und die Geschäftsreisenden, die kurz zu ein paar Meetings im Flughafen eintreffen, wird eine Reihe von kurzen Routen in der Umgebung vorgeschlagen. Diese thematischen Routen, die von historisch-didaktischen über Natur-Routen bis zu Shopping Safaris reichen und auch sportliche Aktivitäten beinhalten, sind auch mit Minibussen, Wasser-Taxis oder Fahrrädern zu bewältigen. Diese Routen-Programme können kommuniziert, geführt und gelenkt werden mithilfe von Mobiltelefonen und anderen tragbaren Apparaten.

Der „Nicht-Ort“ Flughafen würde somit durch die lokalen Qualitäten seiner Umgebung an Identität gewinnen. Die umgebenden Stadtteile und grünen Räume würden von der ökonomischen Ausstrahlung des Flughafens profitieren. Diese Verzahnung des Transit-Raums stärkt die Funktion des Flughafens als Schnittstelle zwischen dem globalen und dem lokalen Raum.

Neighbors
Network
City

Für die Netzwerk-Stadt Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas 2010 wurde in 2004 das Projekt “Neighbours Network City (NNC)“ vorgeschlagen. Das Projekt NNC aktiviert sowohl den urbanen als auch den medialen öffentlichen Raum. Es entwickelt Szenarien für das Zusammenspiel von urbanem Raum und Massenmedien, um den öffentlichen Raum der – sich zunehmend im Segregationsprozess befindlichen – Stadtlandschaft des Ruhrgebiets zu stärken. Das NNC-Projekt (als Inversion von CNN) soll aus der Pluralität der lokalen Kräfte das urbane Netzwerk als „offenes Gesamtkunstwerk“ entfalten.

NNC als offenes Projekt soll sich im Zuge von aufeinander aufbauenden und miteinander verwobenen (Teil-)Projekten entwickeln. Das (Teil-)Projekt „wir essen für das Ruhrgebiet“ (vgl. Abb 7) greift das Motto der Kulturhauptstadt („Essen für das Ruhrgebiet“) auf und schlägt ein ruhrgebietsweites Essen für das Ruhrgebiet vor.

Wir
essen für das
Ruhrgebiet

Am längsten Tag des Jahres sollen dezentral in den Stadtteilen Abendessen von den Bewohnern und für die Bewohner veranstaltet werden. Auch jeder Fremde, ob Wanderer, Tourist, Stadtstreicher, Pendler oder Geschäftsreisender, ist herzlich eingeladen und isst mit.

Die Tische werden an den unbenutzten Flächen und Brachen gedeckt. Damit werden diese Grenzen der städtischen Systeme zu kommunikativen Säumen umgedeutet. Die Musik- und Theaterensembles der Region ziehen an diesem Abend an der temporären Route der Esskultur entlang und sorgen an den Festtafeln für kleine Intermezzi. Im gleichen Moment hallt durch die ganze Region, in verschiedenen Akzenten ausgesprochen, der Trinkspruch: „wir essen für das Ruhrgebiet“!

Das Projekt interveniert auf der Ebene der Wahrnehmung und der Kommunikationsprozesse der Urbanität; diese will es verändern und intensivieren. Räume sollen umgewertet werden; neue Kontakte, neue Beziehungen entwickelt und neue positive Zeichen gesetzt werden.

Das zweite Essen für das Ruhrgebiet findet an einer langen Tafel auf der A40/B1 statt!

SubCity

Wie keine andere Stadtlandschaft ist das Ruhrgebiet durch seinen Untergrund, seine sub_Stadt, bestimmt. Bei dieser durch den Bergbau erst aufgeblühten Region war der Verlauf der Flöze ausschlaggebend. Ihrem Verlauf folgten, als oberirdische Erscheinungen und Entsprechungen, Industrieansiedlung und somit auch Urbanisierung.

Wie keine andere Stadtlandschaft ist sich das Ruhrgebiet dieses „Ur-Gebietes“  als Grundlage und Motor seiner Entwicklung bewusst. Traumata und Geschichte(n) haben sich den Gräben eingeprägt; das Grundwasser ist immer noch da. Somit wird dieser StadtGrund in seiner Doppelbödigkeit oft negativ assoziiert.

Dieses gemeinschaftliche urbane Substrat gilt es zusammen umzudeuten und zu bespielen.

„SubCity“, ein „big urban computer game“ im regionalen Maßstab, das wir als Teil des NNC-Projektes vorschlagen, beschäftigt sich mit dem UnterGrund des Ruhrgebiets und bevölkert ihn mit den Träumen und Wünschen, aus denen die Region schöpft (vgl. Abb 8). Die Spieler, die Bewohner und die Besucher der Kulturhauptstadt, simulieren den UnterGrund der Stadt: sie können unterirdische Stadtlandschaften entwickeln und sie mit ihren Avatars und Träumen bespielen.

Man kann gemeinsam, aber auch dezentral, mithilfe von tragbaren Apparaten wie Mobiltelefonen, die „SubCity“, den UnterGrund der Stadt, mit seinen Träumen und Phantasien bevölkern. Am Wahrzeichen des Ruhrgebiets, am Weltkulturerbe der Zeche Zollverein, bei der einzigen noch offenen Verbindung zwischen der geschäftigen Stadt und ihrem UnterGrund wird der Spielraum „SubCity“ als interaktive räumliche Simulation für Spieler und Besucher betretbar. Der Spielraum der „SubCity“-Ausstellung ermöglicht die Kommunikation mit dem UnterGrund der Wünsche und Träume, aus denen die Stadt weiterhin schöpft und wächst.

Idensity®

In der widersprüchlichen Dynamik unserer heutigen städtischen Umwelt mit ihren gegensätzlichen Tendenzen zur Konzentration wie zur Dezentralisation, zur funktionalen Vermischung wie zur Segregation, verlieren die traditionellen Begriffe räumlicher Unterscheidungsmerkmale  ihre Gültigkeit. Um die Verschmelzung, die Überlagerung und Interaktion von medialem und “realem” städtischem Raum zu erfassen und zu lenken, werden neue konzeptionelle Instrumente gesucht. “Idensity®” ist ein Vorschlag zu einem konzeptionellen Werkzeug zur Erforschung und Entwicklung  des Raumes im Informations-/Kommunikationszeitalter.

Diese oben in diesem Artikel beschriebenen Projekte greifen auf die Ebene der Kommunikation ein. Sie stärken die Identitäten der Stadtlandschaft und intensivieren die Kommunikationsprozesse  der Urbanität, verdichten die urbanen Vernetzungen. „Idensity®“, als ein konzeptionelles Instrument zur Entwicklung der Stadtlandschaft, verschmilzt diese Konzepte von Identität (identity) und Dichte von Vernetzungen (density of connections). Es integriert das Konzept der „Dichte“ (Dichte physischer und medialer Kommunikationsnetze und Infrastruktur, Dichte der Verbindungen, Dichte von Kommunikationsräumen) mit dem Konzept der Identität („Stadtimage“-Kampagnen, Branding etc.). Es integriert die wichtigsten Aufgaben im Rahmen der Entwicklung Stadtlandschaft: die Stärkung der (Teil-) Identitäten der städtischen Fragmente und die ‚Verbindung der städtischen Systeme’ (Sieverts, 2003, 49-51).

Als operatives Instrument kann „Idensity®“ angewendet werden, um Stadtentwicklungsprozesse zu steuern. Daher kann es zum Beispiel zum Verständnis von Prozessen der Trennung und der räumlichen Segregation zwischen städtischen Teilbereichen beitragen, die Eigenschaften von ‚globaler‘ Qualität besitzen und die als Bestandteil eines Netzwerkes ‚globaler‘ Urbanität betrachtet werden können, sowie anderen, manchmal in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden (Teilen von) Städten, die an Bedeutung verlieren und von den (globalen) mentalen Karten verschwinden.

Dieses neue Konzept wird eingeführt, um die Überlagerung und Interaktion von medialem und “realem” städtischem Raum zu verstehen und zu lenken. “Idensity®” unterscheidet nicht zwischen Informations-/Kommunikationsnetzwerken und der städtischen gebauten Umwelt und bietet ein integriertes Modell zum Umgang mit dem hybriden (medialen und “realen”) Raum im Informations-/Kommunikationszeitalter. Es bietet somit ein Werkzeug zur Orientierung innerhalb der sich neu aufmachenden Perspektiven von Stadt.

Bibliography

Castells, Manuel: The Rise of the Network Society, Massachusetts/Oxford, 1996 (im Deutschen: Castells, Manuel: der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Opladen, 2001)

Foucault, Michel: Des espaces autres (conférence au Cercle d’études architecturales, 14 mars 1967). Als Dits et écrits 1984 in Architecture, Mouvement, Continuité, n°5, Oktober 1984, S. 46-49.

Niejahr, Elisabeth: Mehr Wohlstand für alle – Die Deutschen werden weniger. Dies ist kein Grund zur Panik, sondern auch eine Chance. In „DIE ZEIT“, Nr. 43, 14.10.2004.

Sieverts, Thomas: Die Grenzen der Systeme. In „Deutsche Bauzeitung“ (db), 07/2003, Juli 2003.

Sikiaridi, Elizabeth und Vogelaar, Frans, Frans: Öffentliche Schnittstellen zwischen urbanem und medialem Raum. In „Mensch Masse Medien: Interaktion oder Manipulation“, Dokumentation des Internationalen Forums für Gestaltung Ulm 1996, Frankfurt a.M., 1997.

Sikiaridi, Elizabeth und Vogelaar, Frans: Architektur der Sukzession. Prozesse Entwerfen – Systeme Entwickeln. In „Deutsche Bauzeitung“ (db), 01/200, January 2005.

Watts, Duncan J.: Six Degrees, The Science of a Connected Age, London, 2003.

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