Interview mit Elizabeth Sikiaridi durch Britta Bürger über Iannis Xenakis‘ Architekturen in der Live-Sendung „Fazit“ von Deutschlandfunk Kultur zum 100. Geburtstag von Iannis Xenakis über seine Arbeit und Bedeutung als Architekt.
Interview Britta Bürger, Pionier hybrider Räume. Der Klang-Architekt Iannis Xenakis @ Fazit, Deutschlandfunk Kultur, Deutschland, 23.05-23.30, 29 Mai 2022
Interview
In Berlin, Paris und Athen wird der Komponist Iannis Xenakis rund um seinen heutigen hundertsten Geburtstag mit Konzerten gefeiert. Auch wir haben an diesem Wochenende in unserem Programm an verschiedenen Stellen sein musikalisches Werk thematisiert. Jetzt in Fazit wollen wir uns auf den Architekten Xenakis konzentrieren. Denn das Entwerfen von Räumen, Konstruktionen und Strukturen, das war eigentlich sein erster Beruf. In den 1950 er Jahren war er Assistent von Le Corbusier.
Elizabeth Sikiaridi ist Architektin, Professorin und Gründerin von Hybrid Space Lab. Das ist so ein Thinktank für Architektur, Urbanismus, Design und digitale Kultur. Sie hat sich intensiv mit der Architektur von Iannis Xenakis befasst, und wir wollen darüber sprechen, welche Bedeutung seine frühen Entwürfe für die heutige, für die zeitgenössische Architektur haben. Guten Abend, Frau Sikiaridi.
Elizabeth Sikiaridi : Guten Abend.
Elizabeth Sikiaridi: Ich fand es immer spannend. In 1994 war Xenakis eingeladen an der Akademie der Künste in Berlin für einen Dirigentenworkshop. Damals war ich wissenschaftlicher Mitarbeiterin an der Technischen Universität Berlin. Und da bin ich zu Xenakis in Paris gegangen und habe probiert, ihn zu überzeugen, einen Vortrag über seine architektonische Arbeit in Berlin zu halten. Aber er hatte dafür keine Zeit, gab mir Bücher und sagte mir, ich sollte den Vortrag halten und er würde dann die Fragen beantworten. Und so ist es auch gelaufen. Er hat mich anschließend eingeladen, wenn ich wieder in Paris bin, ihn wieder zu besuchen, was ich auch gemacht habe und er hat mir dabei mehrere Bananenkisten gegeben, voll mit Zeichnungen, Kopien, Fotos, Texte zu seiner architektonischen Arbeit. Alles durcheinander.
Elizabeth Sikiaridi: Ich sollte das mitnehmen, Kopien machen und wieder zurückbringen. Und ich habe es auch echt zurückgebracht. Und danach habe ich einige Interviews mit Xenakis geführt, um überhaupt dieses Material zu verstehen. Ja, und somit ist die Arbeit entstanden.
Elizabeth Sikiaridi: Heute vor 100 Jahren geboren als Sohn griechischer Eltern. Er hat Bauingenieurwesen in Athen studiert. Und er kämpfte als junger Mann gegen die deutsche Besatzung im Rahmen der linken Widerstandsbewegungen und anschließend im linken Flügel im griechischen Bürgerkrieg und wurde dabei sehr schwer. Verletzte konnte fliehen mit gefälschten Papieren. Das war 1947, und er konnte im Büro von Le Corbusier unterkommen. Fur Le Corbusier war es egal, dass er keine Papiere hatte. Le Corbusier selber hatte auch kein Architekturdiplom. Und er hat angefangen, erst mal als Bauingenieur, und er hat sich langsam Richtung Architektur eingearbeitete. Er hat dann zwei Bauten realisiert, die in die Architekturgeschichte eingegangen sind das Dominikanerkloster Saint Marie de la Touret und gemeinsam mit Le Corbusier den Philips Pavillon für die Brüsseler Weltausstellung 1958.
Elizabeth Sikiaridi: Ganz spezifisch in dem entwerferischen Beitrag von Iannis Xenakis war sein Interesse an das Licht. Also er konzipierte Elemente, die Licht einfangen, leiten, verwandeln. Zum Beispiel für dieses Kloster La Tourette hat er so eine rhythmisch gegliederte Fassade, die das natürliche Licht in das Gebäude bringt, auch mit dem Schatten, der dazugehörte. Später hat er selber, also Xenakis, selber auch Lichtinszenierungen gemacht, Klang und Lichtinszenierungen Polytop. Einige hat er dafür gemacht, in Montreal, in Japan, Osaka, in Paris, in Persepolis auch und in Makinos in Griechenland und auch den Dschihad op. Das war eine Kombination von Klang und Lichtinszenierungen in einer eigens von ihm selber, also von Xenakis selber entworfenen Zeltkonstruktion, sondern ein mobile Pavillon, der in Paris und dann in Bonn gezeigt wurde.
Und weil Sie Philips Pavillon genannt haben, ist auch sein Interesse ja an volumetrischen Formen, also eine dreidimensionale Form. Also Philips Pavillon ist typisch dafür. Der besteht aus Betonschalen, die doppelt gekrümmt sind, also richtig dreidimensional, also nicht in einem Raster unterzubringen. Der Philips Pavillon war für die 1958 er Brüsseler Weltausstellung und das war eigentlich gedacht als ein Gefäße für ein elektronisches Gedichte Poem Elektronik, der aus so ein visuelle Teil bestand, der Le Corbusier konzipiert hat und dann von einem verräumliches Musikstück von Edgar Varese.
Es ist interessant zu sehen, dass der architektonische Diskurs sehr, sehr lange große Mühe hatte mit diesem Philipspavillon und sicherlich ein Grund ist, dass es ja ein Gebäude ist mit Licht und Ton, also eine Art von hybriden Raum. Das passte nicht, sagen wir, in den Kanon der Architektur. Und da sieht man auch die Ko autorenschaft von Xenakis und Le Corbusier. Wobei Le Corbusier das nicht akzeptieren wollte. Die haben sich dafür gestritten und dann rausgeschmissen. Er wollte auch keinen Konkurrenten, glaube ich.
Er wollte immer als einziger dastehen. Obwohl ein Architekturbüro, das in ganz viele Menschen.
Elizabeth Sikiaridi: Das ist genau, wie Sie das beschrieben haben, so wie ein Zelt. Wobei dieses Zelt nicht aus Flächen aus ebenen Flächen besteht, sondern aus doppelt gekrümmten Flächen.
Elizabeth Sikiarid: Sicherlich. Diese Lichtklangraumarchitekturen sind Pionierleistungen für die Weiterentwicklung von Architektur heute, für diese hybride Räume, die mehrere Dimensionen, auch Licht und Ton usw zusammen berücksichtigen. Noch ein anderer Grund, warum er eigentlich so eine als eine Referenzperson gesehen werden kann, ist, dass heute mithilfe von Digitalisierung die zeitgenössische Architektur komplexere und dynamische Formation integrieren kann. Also man kann die zeichnen, man kann die kontrollieren, man kann die sogar bauen. Er hat einen speziellen Computer selbst gebaut. Ganz interessant bei dem Computer ist, dass dieser Computer als Schnittstelle so eine Reisschiene hatte die architektonische Reisschiene. Also im Prinzip ein Instrument, was er die Architektur kannte und auch was ganz interessant ist, ist, dass diese computer visuelle Information, also Grafiken, direkt in Ton übersetzte. Und ich glaube, das ist sehr spezifisch für Xenakis.
Elizabeth Sikiaridi: Es geht um die Übertragung von Strukturen von einem Medium in das andere. Dass er Musik objektiv als eine Gesamtstruktur denk und in der Architektur, sagen wir so, eine musikalische Haltung einbringt und dass er dieselben Strukturen in Architektur und in Musik materialisiert.
Elizabeth Sikiaridi: Herzlichen Dank und schönen Abend.
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