Co-Kreation hybriden Kulturen

Für die Kulturstiftung des Bundes haben wir das Programm Co-Creating Hybrid Culture entwickelt, das sich mithilfe transdisziplinärer co-kreativer Werkstätten der Erweiterung physischer kultureller Orte und Praktiken durch digitale Räume widmet.

Keynote Zukünftige Kulturräume @ Kulturstiftung des Bundes, HoloLabdive in Program for Digital Interaction, Halle an der Saale, Germany, 22 September 2021Recherche & Konzept @ Kulturstiftung des Bundes, Halle an der Saale, Deutschland, 1 April 2021

Keynote Zukünftige Kulturräume @ Kulturstiftung des Bundes, HoloLabdive in Program for Digital Interaction, Halle an der Saale, Germany, 22 September 2021

Hybrid
Kultur

Beschleunigte Digitalisierung

Die Art und Weise, wie Menschen auf der ganzen Welt kommunizieren und sich verbinden, wird heute durch die Digitalisierung radikal neu definiert. Mit der Beschleunigung der Digitalisierung als eine der offensichtlichsten Folgen der gegenwärtigen Pandemie erlebt die Nutzung digitaler Instrumente einen beispiellosen Anstieg.

Kunst und Kultur bieten dafür sehr form- und fruchtbare Quellen, pulsierend mit Transformationskraft in mehreren Dimensionen. Das Anzapfen des kreativen Potenzials in den Bereichen der kulturellen Produktion, der künstlerischen Spekulation und Vision kann uns unterstützen, diese Herausforderungen anzugehen, um soziale Interaktionen in der Zeit des Digitalen neu zu denken. Somit wohnt dem Programm der Digitalen Werkstätten der Bundeskulturstiftung eine weitgreifende Bedeutung inne.

Diese Übung im Neudenken kultureller Formate und Räume und zur Mitgestaltung kultureller Erfahrungen in der Zeit des Digitalen hat Relevanz weit über den engen Kulturbereich hinaus. Die Digitalen Werkstätten, die mit kleinen Versuchen im kleinen Kreis starten, können als Katalysatoren fungieren, um spiralförmig den Austausch mit anderen Expert*innen und Akteur*innen zu erweitern und kulturell motivierte Experimente im Digitalen zu fördern.

Kulturinstitute zu unterstützen, damit sich diese digitale Räume und Formate kulturell aneignen und weiter formen können, kann die gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit Technologie vorantreiben. Kulturelle Innovation in der Zeit des Digitalen kann somit eine wichtige Triebkraft bei der Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels Richtung Nachhaltigkeit sein.

Co-kreative transdisziplinäre Kultur

Wie Mitgestaltungsprozesse, die andere Bereiche charakterisieren (Wikipedia ist das bekannteste Beispiel), können digitale Netzwerke Kultureinrichtungen helfen, mit dem Publikum zu interagieren und ihr Online- sowie ihr Vor-Ort-Publikum aktiv einzubeziehen. Diese Förderung der Interaktion und der gestaltenden Teilhabe des Publikums kann die Gemeinschaftsbildung rund um die Kultureinrichtungen unterstützen.

Gleichzeitig erleben wir, dass zeitgenössische Kunstpraktiken die Grenzen traditioneller künstlerischer Medien, zum Beispiel von Skulptur und Malerei, überschreiten. Medien-spezifität ist heute in keiner Weise mehr bestimmend für die künstlerische Produktion. Malerei und Skulptur kommen mit Performance, Tanz, Video, Film und Sound sowie Gaming und andere Online-Formate zusammen, und verschiedene Medien verschmelzen innerhalb eines einzigen künstlerischen Projekts. Diese Verschmelzung der Kunstfelder erfordert ein Überdenken der Kulturinstitutionen im Sinne von transdisziplinären und hybriden Praktiken.

Co-kreative transdisziplinäre Formate

Das Programm der Digitalen Werkstätten entwickelt Ideen für die Zukunft kultureller Hybrid- und Digitalformate und deren -räume. Die Digitalen Werkstätten ermöglichen Kultur-institutionen, neue Modelle zu erforschen, um nachhaltige Perspektiven zu entwickeln.
Das Programm folgt einem inklusiven und lösungsorientierten Ansatz und befasst sich mit aktuellen Herausforderungen, wie mitgestaltendem Publikum, inspirierenden Formaten und nachhaltigen Praktiken, und richtet sich somit an eine breite und diverse Zielgruppe von – auch nicht digitalaffinen – Akteur*innen aus dem Kulturbereich. Über die Zielsetzung der Einbeziehung von neuen Zielgruppen in bestehenden Kulturangeboten hinaus, sollen neue kulturelle Akteur*innen gewonnen werden, um neue Stimmen in die Entwicklung digital unterstützter kultureller Angebote miteinfließen zu lassen.

Der klare – aber offene – Fokus der einzelnen Werkstatt-Veranstaltungen ermöglicht den konzentrierten Austausch der Teilnehmer*innen und die Co-Kreation rund einer Reihe von relevanten Themenfeldern.

Alle Veranstaltungen sind transdisziplinär konzipiert und bringen Akteur*innen aus sehr verschiedenen Arbeitsfeldern des Kulturbereichs (wie Theater, Musik, Tanz und Performance, Film, Video, Museen, Kulturzentren, Bibliotheken etc.) zusammen mit einer breiten Palette von Digital-Experten*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, dem Aktivismus, der Pädagogik, der Game-Entwicklung, der Mode, des Marketing und der Werbung, der Gestaltung, der Start-up-Szene, der Sharing-Economy und den digitalen Plattformen … Gleichzeitig wird auch Expertise aus den frühen Experimenten der Digitalpionier*innen – im Sinne von „looking forward by looking back“ („vorwärtsschauen, indem man zurückblickt“) – mit in das Programm einfließen.

Während der co-kreativen Sessions der Werkstätten formen sich kleine transdisziplinäre Arbeitsgruppen, um gemeinsam erste Projektideen zu entwickeln. Diese transdisziplinären Arbeitsgruppen bestehen aus Fachleuten aus verschiedenen Kultursparten (zum Beispiel, aus dem Theater- und dem Museumswesen) sowie aus Expert*innen aus anderen Bereichen. Diese transdisziplinären Gruppen entwickeln im Anschluss an die jeweiligen Werkstattveranstaltungen ihre Projektideen gemeinsam weiter, um diese bei der Abschlussveranstaltung kurz zu präsentieren.

Zur Unterstützung der Entwicklungsarbeit dieser kleinen Projekte und zum Austausch zwischen den unterschiedlichen Arbeitsgruppen werden regelmäßige Online-Besprechungstermine (evtl. auch unter Einbeziehung von externen „Gastkritiker*innen“) sowie online co-kreative Räume angeboten. Diese ermöglichen, neben dem Austausch mit Expert*innen, auch Peer-Lern-Prozesse zwischen den Teilnehmer*innen der Digitalen Werkstätten.

Werkstätte

Werkstatt Dynamische Formate und Räume
Einführung

Wie kann man die gängige Praxis der direkten Übersetzung analoger Formate ins Digitale durchbrechen, um weg von Frontalveranstaltungen mit dem klassischen Sender-Empfänger-Modell zu kommen? Was sind die Chancen immersiver, performativer und mitgestaltender hybrider und digitaler Formate? Wie kann man mehr Fantasie bei digitalen Lösungen einfließen lassen und sinnlichere Zugänge schaffen?

Die Veranstaltung ermöglicht eine erste Übersicht über relevante digitale Instrumente mit inspirierenden, interaktiven und co-kreativen Formaten und deren Möglichkeiten und Herausforderungen. In diesem Kontext werden technologische Lösungen, die von künstlicher Intelligenz bis zu sozialen Medien (Social Media) reichen, kurz angesprochen.
Es werden sowohl immersive Technologien, wie Augmented Reality und Virtual Reality,
als auch filmische dramaturgische Qualitäten, wie Inszenierung und Kameraführung,
und Fernsehformate, wie Live-Regie, kurz präsentiert und diskutiert. Darüber hinaus werden digitale Lösungen für Mitgestaltungsprozesse, wie Gaming-Lösungen mit „User-Generated Content“, „Story-Finding“- und „Worldbuilding“-Aspekten besprochen. Co-kreative digitale Umgebungen und hybride Räume, die die Ideendichtheit abbilden und die Dynamik der Interaktion somit unterstützen können, werden kurz vorgestellt und ausprobiert.
Um bewusst zu machen, dass vieles auch außerhalb der gängigen kommerziellen digitalen Lösungen möglich ist, werden auch Open-Source und Freie Software und digitale Dienste, kurz präsentiert. Außerdem wir auf die wachsende und spezifische Rolle der mobilen Medien und auf deren Einsatzmöglichkeiten im Kulturbereich kurz eingegangen.

Werkstatt Hybrides Kulturerbe
zurück schauen

Wir brauchen eine frische, radikal innovative Sichtweise mit einem lösungsorientierten Ansatz, um die verschiedenen Formen des Kulturerbes – seien es Objekte, Denkmäler oder andere (Erinnerungs-)Orte – in einer Weise zu betrachten, die der kulturellen Hybridität der heutigen globalisierten Welt entspricht.
Wie kann man das Neu-Lesen und Neu-Deuten des Kulturerbes aus multikultureller Perspektive mithilfe künstlerischer und kollektiver Praktiken und digitaler und hybrider Werkzeuge und (co-)Archive ermöglichen? Kann man mithilfe digitaler und hybrider kultureller Räume, Gespräche und Prozesse rund um Restitutionen unterstützen? Können virtuelle Welten das Lesen der Stadtlandschaft aus multikultureller Perspektive und inklusivere, kollektive Prozesse der Herstellung von Erinnerung und Bedeutung und somit die vielstimmige Aneignung unserer Umwelt fördern?

Werkstatt You-Topia
die Zukunft gestalten

Künstlerische Spekulationen auf mögliche Zukünfte bedürfen der gegenseitigen Kontaminierung und Bereicherung aus verschiedenen Standpunkten und Standorten, Praktiken und Hintergründe.
Wie kann man mit einem solchen „you-topischen“-Ansatz, der die Betonung auf den τόπος (Topos) des Anderen legt und somit geschlossenen utopischen Modellen gegenübersteht, gemeinsame positive Visionen entwerfen? Wie können künstlerische Konstruktionen imaginärer Welten in der Mitgestaltung der Zukunftswelten einfließen? Was wären digital unterstützte kulturelle Räume, die die digitalen „Blasen“ und Echokammern und deren hoch personalisierten, maßgeschneiderten digitalen Existenzen und Identitätsdarstellungen durchbrechen? Wie kann man ein sich stark differenzierendes Publikum involvieren und bisher getrennt voneinander agierende sozio-kulturelle Gruppen zusammenbringen?
Was sind die hybriden kulturellen Gemeinschaftsräume, die zufällige Kontakte ermöglichen und den Austausch mit dem Anderen fördern?

Werkstatt Spiel
Spaß dabei haben

Da Zivilisation „im und als Spiel“ entsteht (Johan Huizinga), gilt es die zeitgenössischen und zukünftigen Spielwelten des Homo ludens zu erkunden. Lasst uns spielen!
Wie kann man sich von Best Practices der digital unterstützten Museumspädagogik und Vermittlungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen inspirieren lassen? Was kann man aus der Clubkultur – mit dem physischen Cluberlebnis als anpassbaren Baustein für die digitale Präsenz der Digital Natives – lernen? Wie lassen sich die interaktiven und partizipativen Modelle des Gaming mit dem „User-Generated Content“ als Community-Räume (Gemeinschaftsräume) für die Kulturarbeit einsetzen? Und wie sind digitale und hybride spielerische künstlerische Erlebnisformate zu entwickeln? Wo und wie wird man spielen – mit hybriden Spieleparcours, interaktiven Installationen, Tanz-, Theater- und Musik-performances und mit einer vielseitigen kulturellen Praxis, die Spaß macht!

Werkstatt INbetweenSTITUTE
sich neu aufstellen

Heute erleben wir eine Hybridisierung von künstlerischen und kulturellen Praktiken, und zwar in mehreren Dimensionen. Verschiedene Medien kommen innerhalb eines einzigen künstlerischen Projektes zusammen. Künstler*innen und Kulturschaffende arbeiten trans-disziplinär forschend. Gleichzeitig integrieren sie virtuelle Werkzeuge und Räume in deren Praktiken. Digitale Instrumente unterstützen Prozesse der vielstimmigen Mitgestaltung von hybriden Kulturen, die in physischen Räumen verankert und eingebettet sind und gleichzeitig zunehmend in translokalen Mediennetzwerken geformt und verhandelt werden.
Wie sollten kulturelle Institutionen darauf mit neuen physischen und digitalen Räumen und Formaten reagieren? Was wäre ein digital unterstütztes Hybrid aus Ausstellungsraum und Theater und wie würde es funktionieren? Was wären Formate, die die (privaten) Räume der Kreativschaffenden mit den öffentlichen Räumen des mitgestaltenden Publikums zusammenbringen könnten? Was wären mögliche Infrastrukturen und Plattformen, um das Online- wie auch Vor-Ort-Publikum aktiv miteinzubeziehen und Prozesse der Mitgestaltung zu fördern? Wie kann man Räume für zukünftige kulturelle Kollaborationen weiter imaginieren?

Werkstatt Translokale Gemeinschaften
nach außen greifen

Durch die Digitalisierung entsteht die Möglichkeit, Distanzen zu überwinden und ein weiteres Spektrum an Zielgruppen anzusprechen. Mithilfe digitaler Instrumente kann die Reichweite global ausgeweitet und der Austausch mit weit entlegenen Orten ermöglicht werden. Und dennoch sieht die Zukunft immer lokaler aus, mit starken kulturellen Bindungen mit dem sozialen Umfeld in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Wie können hybride (kombinierte physische und digitale) translokale Gemeinschaftsräume den Austausch über Lokalitäten hinweg unterstützen? Wie kann man im digitalen Raum über Distanzen hinweg ins Gespräch kommen und Empathie und Gemeinschaftsgefühl entwickeln? Wie können periphere kulturelle Akteure und Gemeinschaften, z.B. im ländlichen Raum oder im globalen Süden, gestärkt und somit die Dezentralisierung von Kultur gefördert werden? Würde dies eine Neuformulierung räumlicher kultureller Hierarchien mit sich bringen? Und wie kann eine solche Hyperlokalität – auch im Sinne der Verbindung von lokalen physischen Räumen und ihren Herausforderungen zusammen mit globalen Diskursen – ein „planetarisches Denken“ stärken? Global denken, lokal handeln!

Werkstatt Mitgestaltung Narrative für das Anthropozän
ins Planetarische

Über die Überprüfung des ökologischen Fußabdrucks der eigenen – auch digitalen – Arbeitspraktiken hinaus können Kulturschaffende sich für die Entwicklung von nachhaltigeren Zukünften einsetzen und somit von Vergangenheitsbewahrern zu Zukunfts-gestaltern werden. Kulturelle Akteure können komplexe nachhaltige Sachverhalte mithilfe künstlerischer und kultureller Mittel attraktiv und spielerisch vermitteln. Kulturinstitutionen können eindrucksvolle Geschichten über die Folgen menschlichen Lebens auf unseren Planeten erzählen, um das Verständnis für die Herausforderungen des globalen Umwelt- und Klimawandels zu fördern. Vor allem aber haben Künstler*innen die Einbildungskraft,
um neue Möglichkeitsräume zu erschließen, neue Perspektiven zu entwickeln und somit
zur Vorstellbarkeit von nachhaltigeren Zukunftswelten beizusteuern.
Wie kann man digitale Werkzeuge einsetzen, um die hoch komplexe Thematik der Nachhaltigkeit mit künstlerischen Mitteln einprägsam und einnehmend zu kommunizieren? Wie können Kulturinstitutionen den digitalen Wandel nutzen, um auf eine gesündere und gerechtere Zukunft hinzuarbeiten, die die Natur bewahrt, anstatt sie auszunutzen?

Und wie kann man mithilfe digital unterstützter co-kreativer Formate neue Narrative für das Anthropozän mitgestalten?

Werkstatt [Exkurs] Einkünfte
und Ihre Rechnungen bezahlen

All diese Herausforderungen unterstreichen die Notwendigkeit die klassischen (Geschäfts-) Modelle von Kulturinstitutionen neu zu reflektieren. Seit Langem sind kulturelle Praktiken und Räume hybrid geworden, da Programme, die an physischen Orten stattfinden, stark auf ein nicht lokales, verstreutes Publikum vor Bildschirmen angewiesen sind. Digitaler Netzwerke ermöglichen somit breitere Reichweiten und die Einbeziehung eines größeren Publikums. Der „Long-Tail”-Effekt der Digitalisierung ermöglicht Kulturinstitutionen ihren Genrefokus und Charakter – zum Beispiel, über das Engagement für eine bestimmte Szene und ihre Künstler*innen – zu stärken. Gleichzeitig ist die längst fällige Digitalisierung des Kulturerbes eine anspruchsvolle sowie zeit- und budgetintensive Aufgabe.

Wie verändern Blockchain und Kryptowährungen den Kunstmarkt? Wie könnten Crowd-sourcing und Crowdfunding eingesetzt werden, um Gemeinschaften an die Kultur-institutionen zu binden? Was wären dabei neue Wege der Teilnahme am kulturellen Leben? Was kann man aus den Geschäftsmodellen und -prozessen von Start-ups lernen?
Und wie könnten Geschäftsmodelle samt Konzepten zur Einnahmendiversifizierung weitergedacht und -entwickelt werden?

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