Structural Change @ Wirschaftjahrbuch

Strukturwandel als Herausforderung

Axel Schuch stellt Fragen.

Elizabeth Sikiaridi antwortet.

Veröffentlichung & Interview Strukturwandel, Axel Schuch @ Wirschaftjahrbuch, Deutschland, 1 Mai 2006

Structural
change
as a
challenge

Axel Schuch
Frau Sikiaridi
, unsere Ruhrgebiets-Innenstädte leiden an Kaufkraftverlust, Leerstand und Austauschbarkeit. Wie weit wird sich aus Ihrer Sicht der Prozess dieses Strukturverfalls noch steigern?

Elizabeth Sikiaridi
Diese Prozesse kann man auch beeinflussen. In den Niederlanden, zum Beispiel, werden Großeinkaufszentren auf der grünen Wiese fast nicht genehmigt anders als, um ein anderes europäisches Beispiel zu nennen, in Frankreich, wo die „hypermarches“ nicht nur für eine fantastische Lebensmittelabteilung sorgen, sondern auch für Zentren von Dörfern und Kleinstädten ohne Bäcker. Kaufkraftverlust und Leerstand der Ruhr-gebiets-Innenstädte sind aber im Kon-text der allgemeinen wirtschaftlichen und demographischen Probleme zu betrachten. Im Ruhrgebiet, das früher als andere Regionen Deutschlands mit solchen Entwicklungen konfrontiert und daher auch als „Laboratorium des demographischen Wandels“ bezeichnet wird, wird intensiv über diese Themen gearbeitet und reflektiert. Da gilt es, aus dem Problem des Strukturwandels eine Herausforderung zu machen. Um mit Schrumpfung der Städte umzugehen, ist es not-wendig, einen ganzheitlichen Blick zu entwickeln, der den gesamten Raum der Stadtlandschaft berücksichtigt, der nicht nur die bebauten, sondern auch die unbebauten Flächen, nicht nur die physisch-architektonischen, sondern auch die digital-medialen Räume in die Transformationsprozesse des Städtischen einbezieht: Die im Prozess des Stadt um- und -rückbaus entstehenden Räume in der Stadt können zu vergleichsweise geringen Kosten zur Qualifizierung bestehender städtischer Strukturen eingesetzt werden. Mediale Dienste können zur Unterstützung von Infrastruktureinrichtungen eingesetzt werden, die nicht ausgelastet sind und daher kaum mehr unterhalten werden können. Dies ist auch im Kon-text von Dienstleistungen für eine alternde Gesellschaft interessant. Wir arbeiten seit Jahren an solchen Projekten und haben für dieser Arbeit an der Stadt, die sich solcher „soft tools“, also weicher Mittel, bedient, den Begriff „Soft Urbanism“ entwickelt.

Axel Schuch
In einem Planungsworkshop in Amsterdam haben Sie und Ihre Studenten im Rahmen einer internationalen Planungswerkstatt die Frage erörtert: „Welche Rolle spielt urbane Landwirtschaft für die Stadtentwicklung?“ Wie können Sie diese Frage im Hinblick auf das Ruhrgebiet beantworten?

Elizabeth Sikiaridi
Das ist ein gutes Beispiel dafür: In Zeiten der knappen finanziellen Mittel kann man mit hilfe von urbaner Landwirtschaft Strategien entwickeln, um für den Stadtumbau nicht nur Städtebau mittel, sondern auch die breite Palette von teilweise europäischen – Mitteln einzusetzen, auch Mitteln, zum Beispiel, für regenerative Energien und Umwelt. Zur Entwicklung von urbanen Freiräumen, die das „städtebauliche und sozialräumliche Kontinuum aufrechterhalten“, können mit Hilfe von urbaner Landwirtschaft Lösungen gefunden werden, die „gepflegt“ und kostengünstig sind. Gestaltete land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen der urbanen Landwirtschaft, deren Ertrag die Pflege- und Unterhaltungskosten decken kann, können zum Beispiel als Energieproduzenten eingesetzt werden (Energiepflanzen für Biomasse zur Energieerzeugung). An solchen Projekten haben wir auch in Ostdeutschland sowie in der Region gearbeitet.

In ein m aktuellen Projekt der Uni Duisburg-Essen, „WM 2006: das Bespielen der Stadtlandschaft“, stellen Sie die Frage nach dem Impulsgewinn für die Stadtentwicklung durch das Großereignis Fußball-WM. Gibt es konkrete Antworten dazu? Es gilt kreativ zu sein und zu versuchen, alle Impulse im Sinne einer positiven Entwicklung der Region und ihrer Städte einzusetzen. Bei der WM werden sehr viele Gäste und Journalisten aus aller Welt kommen. Hier liegt sicherlich eine Aufgabe im Bereich Citymarketing: die Region und ihre Städte als Wirtschaftsstandort und touristisches Ziel zu präsentieren und bekannt zu machen. Gleichzeitig ist der populäre Teamsport Fußball ein aus-gezeichnetes Integrationsinstrument. In den Niederlanden werden zurzeit 200 Fußballfelder samt zugehöriger Infrastruktur in sozialen Brennpunkten eingerichtet – und zwar als wichtiger Bestandteil eines Integrationsprogramms für Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Im Zusammenhang mit diesem Projekt sind wir gefragt worden, Ideen und Konzepte für Online-Spiele zu entwickeln, die die Interaktion auf dem grünen Rasenfeld in der Nachbarschaft im Sinne einer nachhaltigen Integration unterstützen.

Axel Schuch
Frau Sikiaridi
, ich bedanke mich für dieses Gespräch.

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