Interview Future Heritage @ DASA Dortmund

Zukunft ist en vogue.

Im Jahr 2018 lieferte sie das Motto des Wissenschaftsjahres „Arbeitswelten der Zukunft“.

Täglich wird in den Medien diskutiert, inwieweit Roboter in unseren Alltag eingreifen und was die fortschreitende Digitalisierung mit uns macht.

Und auch Ausstellungen sind davon nicht ausgenommen.

Interview Future Heritage @ DASA, Dortmund, 23-24 Januar 2019

Zukunft
Szenografie

„Wie wird die Zukunft aussehen? Für Fachleute in der Ausstellungsbranche ist dies ein sehr relevantes und schwieriges Problem. Denn die Zukunft gibt uns noch keine Objekte.

Zukunft ist en vogue. Im Jahr 2018 lieferte sie das Motto des Wissenschaftsjahres „Arbeitswelten der Zukunft“. Täglich wird in den Medien diskutiert, inwieweit Roboter in unseren Alltag eingreifen und was die fortschreitende Digitalisierung mit uns macht. Und auch Ausstellungen sind davon nicht ausgenommen.

Interview

Was bedeutet “Hybrider Raum”, wo kommt der Begriff her?

Frans Vogelaar:
Den Begriff Hybrider Raum haben wir für das Zusammenkommen und Verschmelzen von physischem Raum und digitalen Netzwerken entwickelt – in allen Maßstäben, von der Ausstellungsinstallation bis zur (hybriden) Stadt. Ende der 1980er Jahre haben wir angefangen mithilfe von künstlerischen Projekten nachzudenken, wie sich unser Leben und der physische urbane Raum durch das aufkommende Internet und die digitalen Netzwerke verändern würden.

Elizabeth Sikiaridi:
Da damals das Internet und die digitalen Netzwerke sich noch nicht etabliert hatten, gab es einen großen freien Denkraum, wo wir frei spekulieren konnten: Mit unserem sehr frühen künstlerischen Projekt „Public Media Urban Interfaces“ haben wir Modelle entwickelt, um allen Stadtbewohnern eine bottom-up aktive Beteiligung an der medialen globalen Kultur zu ermöglichen, um das Lokale und das Urbane als Ausgangspunkt für die mediale globale Kultur zu stärken.

Wie hat sich das Konzept vom „Hybriden Raum“ weiterentwickelt?

Elizabeth Sikiaridi:
In der Zwischenzeit steht das Hybride für unsere transdisziplinäre Arbeitsweise, da unsere Arbeit quer über mehrere Fachgebiete läuft. Die digitale Vernetzung – mit dem Computer als Werkzeug – ist der gemeinsamer Nenner, der große Veränderungen in fast allen Arbeitsbereichen mit sich bringt, auch in der Kunst, im Design und im Ausstellungswesen. Somit erweist sich unser Fokus auf den Hybriden Raum als sehr relevant für viele Arbeits- und Lebensbereiche.

Frans Vogelaar:
Dies ermöglicht uns, uns mit unterschiedlichen Fachrichtungen auseinanderzusetzten und Erkenntnisse und Methoden aus einem Gebiet in einem anderen zu transportieren. Dies tun wir auch in unseren Arbeiten zu Räumen der Kultur. Digitalisierung, Vernetzung und der Hybride Raum als Kombination von physischem und virtuellem Raum haben große Auswirkungen im Ausstellungswesen; die digital vernetzte Co-Kreation bewirkt eine Öffnung und Neudefinition von Museen.

Könnten Sie uns kurz ein Beispiel solcher Entwicklungen vorstellen?

Frans Vogelaar:
Im Jahr 2014 sind wir eingeladen worden Konzepte für die Weiterentwicklung und Aufwertung des Pekinger Museumsquartiers „798“ zu entwickeln. Wir haben dafür kein neues Museum und kein neues Branding vorgeschlagen, sondern die prozessorientierte Strategie „INbetweenSTITUTE“, um Räume für eine vernetzte Co-Kreation zu entwickeln und die Netzwerke der Künstler und der Kreativen – vor Ort wie auch Online – zu stärken und sie im urbanen Gewebe von „798“ zu verankern.

Elizabeth Sikiaridi:
„INbetweenSTITUTE“ schlägt eine neue offene Infrastruktur der Co-Kreation vor, die den privaten Raum des kreativen künstlerischen Schaffens, wie Studios und Ateliers, mit dem öffentlichen Raum des Publikums, wie Showroom, Museum, Galerie, Theater oder Konzertsaal, zusammenbringt. Als hybrides Konzept denkt es die digitalen Netzwerke und urbane Räume zusammen und hybridisiert mithilfe partizipativer Prozesse die Empfänger und Sender der Kulturproduktion.

Dies bedeutet, dass das „Hybride“ zur Strategie geworden ist?

Elizabeth Sikiaridi:
Diese transdisziplinäre Arbeitsweise und ‚hybride Strategie’, die uns ermöglichte Erkenntnisse aus dem Stadtmachen, wie die Partizipation, in den Bereich des Ausstellungsmachens zu transportieren, macht auch einen frischen Blick möglich, um auf unerwartete Lösungen und Ideen zu kommen und somit neue Wege zu bahnen, wie mit dem Projekt „Humboldt Dschungel“, das eine zukunftsweisende Vision für das sehr umstrittene Vorhaben „Humboldt Forums“ entwickelte.

Frans Vogelaar:
Unser Entwurf bezieht sich auf den Naturforscher Alexander v. Humboldt, stülpt hängende Gärten mit Lianen über das preußische Schloss und bringt einen tropischen Wald auf das Dach. Es ist mehr als eine Fassadenbegrünung, lässt „Gras drüber wachsen“, versöhnt mit den vielschichtigen geschichtlichen Wunden an diesem historischen Ort. Unser radikaler Vorschlag wurde, auch in der Presse, sehr gut aufgenommen: als „Weckruf“ und als die „Rettung des Humboldt Forums“.

Steht das „Hybride“ auch für dieses Zusammenkommen von Pflanzen und Gebäude, von Natur und Kultur?

Frans Vogelaar:
Das Hybride steht für eine ganzheitliche Annäherung auch an Raum und Architektur. Im diesem Geist haben wir auch das Projekt „Humboldt Vulkan“ entwickelt, einen Anbau an das Humboldtforum mit vertikalem Dschungel, der aus bewaldeten Terrassen, einem Dachgarten, einem Wintergarten und einem Wasserfall besteht. Als Verbindung von Architektur-Natur-Technik gibt das Projekt dem Humboldt Forum im Schloss ein in die Stadt ausstrahlendes zeitgenössisches Gesicht.

Elizabeth Sikiaridi:
Das Projekt steht für eine hybride und innovative Architektur, die mit der Natur zusammenkommt. „Humboldt Vulkan“ ist eine gestapelte ‚Oase‘, die Vegetation in der gebauten Umwelt integriert. Dieses hybride Gebäude weist Lösungswege für die Integration von Grün in sehr dichten urbanen Situationen auf. In dieser Konvergenz findet eine zukunftsweisende Baukunst ihren Ausdruck – eine, die sich den Herausforderungen des Anthropozäns stellt.

Welche Möglichkeiten eröffnen sich mithilfe einer solchen „hybriden“ Annäherung an unsere Umwelt?

Elizabeth Sikiaridi:
Bei unserem aktuellen Projekt zum Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen) untersuchen wir, wie traditionelle physisch-architektonische Denkmäler mithilfe des digitalen Raumes transformiert und umgedeutet werden können. Valle de los Caídos, das zwischen 1940 und 1959 in der Nähe von Madrid errichtete Franco-Denkmal, ist das umstrittenste aktive Monument weltweit und exemplarisch für die schwierigen Transformationsprozesse solcher kontroverser Denkmäler.

Frans Vogelaar:
Das Projekt ist sehr relevant für die ganze Diskussion um das kulturelle Erbe. Es untersucht, wie traditionelle physische Denkmäler mithilfe digitaler vernetzter dynamischer Archive ‚informiert’ und somit umgedeutet werden können. Es stellt Fragen nach dem künftigen Kulturerbe (Future Heritage): Wie könnte dieses Erbe aussehen, sich anfühlen, wie klingen und wie könnten seine digital angereicherten Dimensionen die Konstruktion der Erinnerung beeinflussen?

Was bedeuten technologische Entwicklungen für Sie?

Elizabeth Sikiaridi:
Wir untersuchen aktuelle Entwicklungen sehr breit, im Bereich der Kultur, Kommunikation, Produktion, Umwelt, Austausch (Märkte) und die technologische Innovationen. Wir nähern uns den technologischen Entwicklungen aus der Sicht des Gestalters, des Architekten, des Designers, des Stadtplaners, mit der Zielsetzung, Technologie so zu „bewohnen“ und somit zu transformieren, dass Technik unsere Vorstellungen, wie wir leben wollen, ermöglicht und unterstützt.

Frans Vogelaar:
Wir leben in einer sich beschleunigenden Welt, mit einer zunehmender Geschwindigkeit der Technologieentwicklung. Technik darf nicht unser Denken und Handeln dominieren. Daher wird Kreativität immer wichtiger. Das Mischen von Feldern und Kombinieren von Expertenwissen, die Berücksichtigung von Umgebungen in ihrer Vielzahl von Dimensionen ist für uns eine Methode, um relevante Lösungen für immer komplexer werdende räumliche Gestaltungsaufgaben zu finden.

Welchen Stellenwert hat für Sie Innovation?

Frans Vogelaar:
Wir sind ein Labor für kulturelle Innovation, ein kultureller Transformationsagent, der sich auf die auf die aktuellen miteinander verwobenen Herausforderungen unserer Umwelt richtet. Wir sehen uns als ein kultureller Nährboden für die Entwicklung bahnbrechender Konzepte und für die Förderung von Innovationen, die zu positiven Veränderungen in Gesellschaft und Umwelt beitragen.

Elizabeth Sikiaridi:
Innovation ist nicht Selbstzweck und keine Qualität an sich. Innovation ist notwendig, um mit einer sich immer schneller verändernden Welt umzugehen. Innovation ist daher ein Mittel zur Bewältigung und Steuerung von Entwicklungen. Hybridisierung ist eine evolutionäre Strategie, um neue Lösungen für die sich verändernden Umgebungen in unserer schnelllebigen hochkomplexen globalisierten Welt zu entwickeln.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Fachgebietes?

Elizabeth Sikiaridi:
Eigentlich denken wir weg von Fachgebieten. Zu Beginn hatten wir ein Kommunikationsproblem, da wir nicht in den genau vordefinierten Fachgebieten der verschiedenen Disziplinen passten. So wurden wir wiederholt gefragt: Was sind Sie genau? Designer und Gestalter, Architekten, Urbanisten, Landschaftsarchitekten, Digitalexperten, Forscher … Medienkünstler? Wir reagierten mit einer offensiven Strategie, indem wir unser Büro als Hybridlabor definierten.

Frans Vogelaar:
Die traditionellen Disziplinen entwickeln sich, transformieren, verschmelzen. Wir sehen unser nomadische ‚undisziplinierte’ Labor als Katalysator für diesen Prozess, als Entwicklungs- und Experimentierraum. Man sollte den strategischen Wert von Crossover-Räumen und Hybridlabors nicht unterschätzen. Wir glauben, dass es wichtig ist, interdisziplinäre Umgebungen zu stärken und kreative Begegnungsumgebungen zu unterstützen, da sie Innovation fördern.

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