Humboldt Dschungel @ Die ZEIT

Berlin diskutiert über eine große Idee: Den Humboldt Dschungel.

Es ist die Idee, dem so trotzig dastehenden Kulturmonstrum [des Humboldtforums] etwas Verspieltes, Wucherndes, Verrücktes zu entlocken…

Ist der Humboldt Dschungel das bessere Humboldt Forum?

Publikation Ist das die Rettung? Dr. Werner Bloch @ DIE ZEIT, Nr. 9/2016, 18 Februar 2016

Humboldt-Forum:
Ist das die Rettung?

Berlin diskutiert über eine große Idee: Den Humboldt-Dschungel

Der Entwurf eines solchen Dschungels, als Computerbild aufgeblasen, erzielt eine stupende Wirkung. Vogelschwärme, tropische Wälder über Berlin, Pflanzen, Tiere und Südamerika scheinen auf die Reisen Alexander von Humbolts anzuspielen. Und auch der unbescholtene Besucher ahnt schon von außen, dass ihm im Inneren kein gewöhnliches Museum erwartet…

Unerwartet rasch sind die Mauern emporgewachsen. Unerwartet schnell wachsen nun die Zweifel. Denn noch immer weiß niemand, was hier, im neu errichteten Stadtschloss zu Berlin, dem wichtigsten Kulturprojekt der Bundesregierung, eigentlich passieren und zu sehen sein soll. Wofür ist das Humboldt-Forum gut? Selbst der oberste Berater des Projekts, der anfangs umjubelte Kurator Neil MacGregor, will seine Pläne nicht offenlegen – wenn er denn überhaupt welche hat.

Umso überraschender der Vorschlag, der seit einiger Zeit in Berliner Hinterzimmern kursiert, dort große Begeisterung auslöst und hier nun erstmals überregional veröffentlicht wird. Es ist die Idee, dem so trotzig dastehenden Kulturmonstrum etwas Verspieltes, Wucherndes, Verrücktes zu entlocken. Wenn es nach den Initiatoren geht, könnte sich das bislang hohläugige Projekt schon bald verwandeln: in einen Humboldt-Dschungel.

Das Schloss, wie es heute dasteht, bietet gen Osten eine gewaltige uniforme Betonwand. Auf den übrigen Fassaden sollen Tausende von Steinplatten mit barocken Motiven und Verzierungen montiert werden. Diese Platten werden von Robotern in Italien hergestellt, worauf der König des Wiederaufbauprojekts, Wilhelm von Boddien, besonders stolz ist. Eben dieser Boddien reagierte geradezu erschrocken auf das Dschungelkonzept mit der geplanten Begrünung des Daches und von Teilen der Fassade: „Diese Idee ist so gut, dass man gleich dagegen argumentieren muss, sonst wollen die Berliner das noch behalten“, rief er bei einer internen Präsentation aus.

Ausgebrütet haben die Idee der Grünen-Abgeordnete Notker Schweikhardt und die Kommunikationsexpertin Uta Belkius. Ihre Anregung nahm das Berliner Architekturbüro Hybrid Space Lab auf – und verwandelte den Vorschlag sofort in etwas Größeres. „Wir haben gesagt: Nein, wir machen keine traditionelle Stadtbegrünung, das ist superlangweilig. So entstand die Idee des Dschungels. Humboldt hat in unseren Köpfen mehr mit Dschungel zu tun als mit Uni oder Schloss“, sagt der Architekt Frans Vogelaar.

Der Entwurf eines solchen Dschungels, als Computerbild aufgeblasen, erzielt eine stupende Wirkung. Vogelschwärme, tropische Wälder über Berlin, Pflanzen, Tiere und Südamerika scheinen auf die Reisen Alexander von Humboldts anzuspielen. Und auch der unbescholtene Besucher ahnt schon von außen, dass ihn im Inneren kein gewöhnliches Museum erwartet. Die ethnologischen Sammlungen, die in den oberen Geschossen unterkommen sollen, bekämen ihr eigenes Signal.

Noch ein Vorteil: Der Humboldt-Dschungel wäre wesentlich billiger als die bisher geplante preußische Fassade, für deren Finanzierung aus Spendenmitteln immer noch 50 Millionen Euro fehlen. Und wer nun meint, die tropischen Pflanzen würden im Berliner Winter gewiss verkümmern, der sei auf ein berühmtes Vorbild verwiesen: auf das Musée du quai Branly von Jean Nouvel in Paris. Auch dieses Museum mit seinen ethnologischen Sammlungen ist mit einer biologischen Außenhaut versehen – die wächst und gedeiht.

Ist der Humboldt-Dschungel also das bessere Humboldt-Forum? Viele sehen das so, selbst in den höchsten Kreisen des Berliner Senats ist nun gelegentlich zu hören, dieser Vorschlag sei „die Rettung des Humboldt-Forums“. Und der kaufmännische Vorstand des Humboldt-Forums, Johannes Wien, hat sogar schon ein Bild mit der computergenerierten Verschmelzung von Dschungel und Schloss auf seinem Schreibtisch stehen.

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