Die Konferenz A2B ist eine Initiative des Architekten Jacques Herzog.
Die diesjĂ€hrige Ausstellung „We are building the future for you“ wurde von den prominenten Referenten als Designer der Zukunft prĂ€sentiert.
Internationale KoryphĂ€en der Architektur im realen Raum wie Toyo Ito wurden neben Pioniere der virtuellen Architektur gestellt: Elizabeth Sikiaridi erlĂ€uterte den von ihr bereits geschĂŒtzten Begriff „idensity“, der die Dichte medialer und urbaner Netzwerke und die Verschmelzung von virtuellen und realen RĂ€umen beschreibt.
Publikation Informations- und Kommunikations technologie und Architektur, Villö Huszai @ Neue ZĂŒrcher Zeitung , Schweiz, 1 Februar 2002
Eine
Zukunft
aus
Worten
„Im Rahmen der Basler Messe Swissbau hat letzte Woche ein erstes von insgesamt fĂŒnf geplanten Architektursymposien stattgefunden. Es stellte die Frage nach der Zukunft der Architektur und des urbanen Raumes in der «Netzwerk»-Gesellschaft. Zur Diskussion stand der Einfluss der Informationstechnologien auf die Architektur. Die Forschungsmethoden der neunziger Jahre wurden dabei hinterfragt.
«We are building the future for you»: Dieser stolze Satz stand letzte Woche in riesigen Lettern ĂŒber dem Eingang der Messehalle, wo das erste von geplanten fĂŒnf Architektursymposien im Rahmen der Basler Messe Swissbau stattgefunden hat. Der Slogan bezieht sich auf den im Bau befindlichen Messeturm Basel, aber natĂŒrlich war man versucht, den BegrĂŒssungssatz als Motto der vom Architekten Jacques Herzog initiierten Tagung zu deuten.
Denn das Thema der Tagung, der Einfluss der Informationstechnologien auf Stadt- und GebĂ€udearchitektur, war wĂ€hrend der letzten zehn Jahre genau im Geist dieses Slogans diskutiert worden: In kĂŒhnen Aussagen hatten die neunziger Jahre die Zukunft als Produkt des kommunikationstechnologischen Fortschritts vorausgesagt. Die Zukunft erschien konstruierbar wie die Informationstechnologie, und die Architektur wurde in ihrer tradierten Rolle als Konstrukteurin der Zukunft bestĂ€rkt. Der Slogan fĂŒhrte die Tagungsbesucher jedoch in die Irre: Eine wesentliche Leistung des Kongresses bestand gerade darin, die in den Theorien der neunziger Jahre omniprĂ€sente Futurologie mit neuen Methoden zu konfrontieren.“
Cyber
Space
Das Eingangsreferat William J. Mitchells, Architekturdozent und Cyberspace-Theoretiker der ersten Stunde, liess allerdings von dieser Konfrontation noch nichts erahnen: Mitchell, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) lehrt, gab in der bekannten, halb empirischen, halb futurologischen Manier des MIT einen Ăberblick ĂŒber mögliche Auswirkungen der Informationstechnologien auf Gesellschaft und Stadtarchitektur. So sagte er die umfassende Dezentralisierung der Kommunikation voraus und untermauerte diese Voraussage mit dem vielzitierten PhĂ€nomen der Geldautomaten und schwindenden Bankfilialen. Die in Essen lehrende Architektin und Urbanistin Elizabeth Sikiaridi verzichtete gleich ganz auf Empirie, untermauerte ihre Argumentation mit Beispielen aus der IT-Werbung und stellte den von ihr und dem Kölner Medientheoretiker Frans Vogelaar erdachten Begriff „Idensity“ vor: Das darin enthaltene Wort „density“ stehe fĂŒr die neuartige Dichte der medialen und urbanen Netzwerke, das Worte „identity“ fĂŒr herkömmliche Formen des Analogen. Sikiaridi sprach von der Methode, im „entstehenden Informations- und Kommunikationszeitalter“ virtuellen und realen Raum zu verschmelzen, von der „entstehenden Netzwerk-Stadt“, von „hybriden RĂ€umen“, von der Methode des «soft urbanism» – kurzum, das Basler Publikum bekam tatsĂ€chlich eine fulminante Zukunft, ganz aus Worten, gebaut.
Nichts
als
Metaphern?
Die Frage, was man mit dem so aufwendig vorgestellten Wort anfangen könnte, stand im Raum, doch die Gewöhnung an solche WorthĂŒlsen drohte die Frage schon zu ersticken. Da wandte sich der 1997 am Amsterdamer Berlage-Institut graduierte freie Architekt und Urbanist Peter Trummer ungewöhnlich direkt und insistierend an Sikiaridi; ob sie den Begriff als einen metaphorischen verstehe oder als einen operationalen; also als einen Begriff, den man in konkreter Forschung anwenden könne. Trummer gab unumwunden zu, genug zu haben von der Unmasse an kursierenden philosophischen Texten. Seine Weigerung, das Spiel mit Begrifflichkeiten zu akzeptieren, markierte den Beginn einer immer wieder zĂ€hen, aber trotzdem anregenden Diskussion, die sich im Laufe des zweitĂ€gigen Kongresses entwickelte. ZĂ€h war sie, weil die Macher des Kongresses nicht aufeinander eingespielte GesprĂ€chspartner zusammengerufen hatten, sondern einerseits internationale KoryphĂ€en der Architektur im realen Raum wie Toyo Ito, Lars Spuybroek und Jacques Herzog, andererseits die Pioniere der virtuellen Architektur wie Peter Anders, Marcos Novak oder Hani Rashid. Auch die komplexen Fragen der zwei Moderatoren, des McLuhan-Nachfolgers Derrick de Kerckhove oder des Philosophen Andrew Benjamin, machten die Diskussion nicht eingĂ€ngiger. Aber immer wieder hakte einer der eingeladenen Prominenten bei einem Formulierungsversuch eines nicht minder prominenten GesprĂ€chspartners ein; genau diese dialogischen Momente waren von grosser Informationsdichte.
EuropÀische
Spielart
des
Urbanismus
Trummer hat die Kommunikations- und Transportationssysteme des australischen Hinterlands untersucht und dabei konkrete PhĂ€nomene wie dasjenige von in Flugzeugen operierenden HausĂ€rzten beschrieben. Trummer schlug vor, diese Netzwerkstrukturen der kaum besiedelten australischen Outbacks als urbanes PhĂ€nomen zu betrachten. Auch hier sind abstrakte Begriffsarbeit und Interesse an den kommunikationstechnischen Entwicklungen im Spiel. Die Theorie ist jedoch nicht aus einer Zukunft gewonnen, die aus der technologischen Entwicklung erst noch entstehen soll, sondern aus einer empirisch erfahrbaren Gegenwart. Trummers Position ist verwandt mit derjenigen des italienischen Urbanisten und in Lausanne lehrenden Architekturprofessors Stefano Boeri. Auch Boeri ging in Basel auf Konfrontationskurs, erklĂ€rte entschiedenes Desinteresse an Wortschöpfungen – von denen man an dieser Tagung trotzdem noch einige zu hören bekam. Boeris Empirismus geht einher mit einer Abwendung von der amerikanischen Stadt und der Hinwendung zur europĂ€ischen. Diesen neuen Empirismus hat Boeri in dem mit Rem Koolhaas herausgegebenen Buch «Mutations» theoretisch fundiert und dabei klar gemacht: Der kĂŒnftige Gebrauch von Architektur kann nicht konstruiert werden; ein grösserer Gegensatz zwischen Boeris Urbanismus und der Vision, im Cyberspace digitale StĂ€dte entwerfen zu können, ist nicht zu denken.“
related PRESS